Die Kirchen haben während der SED-Diktatur einer staatlichen Vereinnahmung widerstanden. Aber kirchenleitendes Handeln war nicht immer unabhängig von staatlichen Einflüssen und politischen Rücksichtnahmen. Es gab Entscheidungen, die durch staatliche Stellen, unter anderem durch die Staatssicherheit, beeinflusst waren. Davon  waren Personen betroffen, die haupt- oder ehrenamtlich für die Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen sowie der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen tätig waren. Die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland wendet sich als Rechtsnachfolgerin der beiden Vorgängerkirchen an Mitarbeitende, die der SED-Diktatur gegenüber kritisch eingestellt waren und in Situationen persönlicher Bedrängnis von ihrer Kirche allein gelassen oder gar diszipliniert wurden. Kirchliche Schuld benennen und die Opfer anerkennen, gehört zusammen. Im Bußwort vom 20. Oktober 2017 bekannte der Landeskirchenrat der EKM:

„Wir sehnen uns nach Wahrheit und Gerechtigkeit. Wir wollen uns unserer Schuld stellen. Wir wollen Verantwortung übernehmen. Wir wollen Versöhnung ermöglichen. Wir glauben, dass das Bekennen unseres Irrens, unseres Versagens und des bewusst begangenen Unrechts unter der Verheißung unseres Herrn Jesus Christus für ein erneuertes Leben steht. Wir sehen die immer noch gestörten Beziehungen in unserer Gesellschaft und die Verletzungen 27 Jahre nach dem Ende der DDR. Wir wollen das uns Mögliche für eine Heilung der Erinnerung und für Versöhnung tun.“


Anerkennungsverfahren
Aus diesem Grund hat der Landeskirchenrat ein Anerkennungsverfahren initiiert. Die Antragszeit ist auf 2 Jahre befristet. Anträge können alle Personen stellen,

  • die für die Vorgängerkirchen der EKM in Kirche und Diakonie haupt- oder ehrenamtlich tätig waren und während der Zeit der SED-Diktatur aus politischen Gründen drangsaliert wurden und in ihren Kirchen disziplinarisch belangt, im Stich gelassen oder entlassen wurden,
  • die unter Mithilfe von oder durch Verrat aus kirchlichen Kreisen inhaftiert, gedemütigt, traumatisiert oder zur Ausreise gedrängt wurden.

Als Ombudsperson, mit deren Unterstützung die Anträge zu stellen sind, wurde Hildigund Neubert beauftragt.

Die Anerkennungsentscheidungen erfolgen im Auftrag des Landeskirchenrates durch einen Anerkennungsausschuss.
Zum Anerkennungsausschuss gehören:

  • Johannes Beleites (Großkochberg, Vorsitzender)
  • Cordula Kamm (Jena)
  • Edda Ahrberg (Tangerhütte)
  • Geschäftsführer ohne Stimmrecht ist Pfarrer Christian Dietrich (Erfurt/Klettbach)

Die stimmberechtigten Mitglieder sind in ihren Entscheidungen unabhängig.

Ombudsperson
Die Ombudsperson hört die Betroffenen an, sichtet fallbezogene Unterlagen und recherchiert zum Sachverhalt in öffentlichen und kirchlichen Archiven. Zur Recherche gehört mit Einverständnis des Betroffenen auch die Einsicht in die kirchlichen Personalunterlagen sowie die Anforderung von Stasi-Unterlagen gem. § 21 Abs. 1 Ziff. 1 des StUG. Auf der Basis der ihr zur Verfügungen stehenden Unterlagen und der Gespräche mit den Betroffenen erstellt die Ombudsperson ein Fall-Dossier, in dem der Fall aus den Quellen und die Anerkennungserwartungen des/der Betroffenen dokumentiert sind. Dem Dossier werden einschlägige Belege aus den vorhandenen Unterlagen und Akten beigefügt. Alle Verfahrensschritte erfolgen im Einvernehmen mit den Betroffenen. Sollte die Einsichtnahme in Personalunterlagen sowie die Anfrage betr. der Stasi-Unterlagen vom Betroffenen nicht genehmigt worden sein, ist dieses unter Nennung der entsprechenden Begründung im Bericht zu vermerken.

Anträge können bis 30. April 2023 gestellt werden.

Anerkennungsausschuss
Der Anerkennungsausschuss wird auf Initiative der Ombudsperson tätig. Die Ombudsperson übergibt dem Anerkennungsausschuss den gefertigten Bericht mit der Bitte um Eröffnung eines Anerkennungsverfahrens. Der Anerkennungsausschuss entscheidet nach Auswertung des Berichtes über die Durchführung des Anerkennungsverfahrens. Zu den Beratungen kann die Ombudsperson hinzugezogen werden. Die Sitzungen finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Beschlüsse werden mit 2/3-Mehrheit gefasst.

Formen der Anerkennung können sein:

  • Feststellung des Unrechts bzw. der Unrechtserfahrung
  • einmalige Anerkennungsleistung
  • öffentliche Anerkennung und Würdigung

Für das Anerkennungsverfahren wurde im Haushalt ein Budget in Höhe von 500.000 Euro eingestellt. Dieser Finanzrahmen orientiert sich an vergleichbaren Verfahren.

Der Anerkennungsausschuss schließt im Auftrag der Landeskirche mit der/dem Betroffenen eine individuelle Anerkennungsvereinbarung. Diese ist endgültig und enthält neben der Sachverhaltsschilderung und einer Darstellung der damit verbundenen Folgen für die/den Betroffene/n die Erklärung, dass beide Seiten in dieser Angelegenheit auf rechtliche Auseinandersetzungen verzichten.

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