27.02.2024
„Nie wieder ist jetzt": Statement von Superintendentin Beate Marwede zur Kundgebung am 4. Februar in Meiningen
Liebe Versammelte auf dem Meininger Marktplatz, leider kann ich heute wegen eines anderen Termins nicht persönlich zu Ihnen und Euch sprechen, sondern bitte um das Vorlesen meines Redebeitrages. Am 27.Janaur habe ich an dem Gedenkgang anlässlich des Gedenktages an die Opfer des Holocausts hier in Meiningen teilgenommen.
Die Gedichte und Zeitzeugenberichte von den Grausamkeiten in Auschwitz haben mich aufs Neue erschüttert: Welch ein Menschenhass spricht aus diesen Taten! Im Ohr habe ich die Worte von Eva Szepesi, 91jährige Überlebende des Holocausts, gesprochen bei der Gedenkstunde des Deutschen Bundestages: „Die Schoa begann nicht mit Auschwitz, sie begann mit Worten, sie begann mit Schweigen und Wegschauen.“
Menschen verachtendes Reden, populistisches Hetzen gegen Gruppen in der Bevölkerung, Schweigen aus Angst und um des „lieben Friedens willen“ und das Wegschauen und Kleinreden, vorzugsweise bei Vorfällen mit rechtsextremen Hintergrund, sind schon lange in Deutschland traurige Realität. Wie gut, dass sich nun Menschen wachrütteln lassen, zu Kundgebungen zum Schutz von Demokratie, Freiheit und Menschlichkeit kommen, überall in Deutschland und heute hier in Meiningen! Menschen, die etwas ändern wollen- und etwas ändern können! Denn auch Menschlichkeit, Freiheits- und Demokratieliebe beginnt im Kleinen. Das sage ich zuerst an mich selbst gerichtet, und ich bitte Sie und Euch inständig: Widersprecht, wenn Menschen in Eurer Nähe sich menschenverachtend äußern. Sagt: „Mich stört dein menschenverachtenden Reden. Ich teile deine Meinung nicht. Sagt es beim Stammtisch, in der Mittagspause am Tisch mit Kolleg*innen, beim Sport, im Familienkreis. Schweigt nicht! Und schaut nicht weg, wenn Menschen- wegen was auch immer - beleidigt, ungerecht behandelt oder misshandelt werden! Oftmals reicht es schon, wenn mehrere in Bus laut sagen: „Lassen Sie diesen Menschen in Ruhe!“
Und die Politikerinnen und Politiker unter uns bitte ich ebenso inständig: Unterlassen Sie populistische Parolen und gruppenverachtendes Reden! Eine streitfreudige Demokratie braucht menschenwürdiges Reden und Auftreten. Bitte behaupten Sie nicht, das Volk brauche markige Sprüche. Wir sind nicht dumm. Wir verstehen Zwischentöne!
Demokratie lebt von einer Haltung der Menschlichkeit und der Toleranz. Der Apostel Paulus, einer unserer biblischen Lehrer, schreibt: „Lass dich nicht vom Bösen überwinden, überwinde das Böse mit Gutem.“ Eine solche Haltung braucht eine Kraftquelle. Für Christen, für Juden und für Muslime ist es die Gottesbeziehung, das Vertrauen, von Gott gesehen und gewürdigt zu sein. Und das Wissen, dass dieses auch für mein Gegenüber gilt. Eine weitere Kraftquelle ist, sich mit anderen Menschen guten Willens zu solidarisieren – darum sind wir heute hier!
Nie wieder ist jetzt ! Einen guten Verlauf der Kundgebung wünscht
Superintendentin Beate Marwede