25.06.2023
Gottesdienst im Berliner Dom Predigt zu Jona 3, 10. 4,1-11 von Landesbischof Friedrich Kramer im Sonntagsgottesdienst des Berliner Doms am 25.06.2023
Abendmahlsgottesdienst in der Oberpfarr- und Domkirche zu Berlin am Dritten Sonntag nach Trinitatis | 25.06.2023 | 10 Uhr | PREDIGT
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen! AMEN
Liebe Gemeinde,
„Der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist“. Der Wochenspruch gibt unserem Sonntag sein Gesicht und wir haben das wundervolle Gleichnis vom wiedergefundenen Sohn gehört, das erzählt, wie sehnlich Gott darauf wartet, dass wir umkehren zu ihm, wie der Vater selig machen will, alles was verloren ist.
Was ist heute verloren, worin haben wir uns verrannt in diesen Tagen des Krieges und der Gewalt, der Spaltungen in unserer Gesellschaft und den nicht enden wollenden Krisen? Stehen wir vor dem Untergang? Kann es Umkehr und Rettung, ja sogar Seligkeit geben?
Hört das Ende der Geschichte von einer verlorenen Stadt, die dem Untergang geweiht war und die Gott suchte, um sie zu retten. Ich lese aus dem Buch des Propheten Jona:
[Predigttext: Jona 3, 10. 4,1-11]
3,10 Als aber Gott ihr Tun sah, wie sie umkehrten von ihrem bösen Wege, reute ihn das Übel, das er ihnen angekündigt hatte, und tat’s nicht.
4,1 Das aber verdross Jona sehr, und er ward zornig 2 und betete zum HERRN und sprach: Ach, HERR, das ist’s ja, was ich dachte, als ich noch in meinem Lande war. Deshalb wollte ich ja nach Tarsis fliehen; denn ich wusste, dass du gnädig, barmherzig, langmütig und von großer Güte bist und lässt dich des Übels gereuen.
3 So nimm nun, HERR, meine Seele von mir; denn ich möchte lieber tot sein als leben. 4 Aber der HERR sprach: Meinst du, dass du mit Recht zürnst? 5 Und Jona ging zur Stadt hinaus und ließ sich östlich der Stadt nieder und machte sich dort eine Hütte; darunter setzte er sich in den Schatten, bis er sähe, was der Stadt widerfahren würde. 6 Gott der HERR aber ließ einen Rizinus wachsen; der wuchs über Jona, dass er Schatten gab seinem Haupt und ihn errettete von seinem Übel. Und Jona freute sich sehr über den Rizinus.
7 Aber am Morgen, als die Morgenröte anbrach, ließ Gott einen Wurm kommen; der stach den Rizinus, dass er verdorrte. 8 Als aber die Sonne aufgegangen war, ließ Gott einen heißen Ostwind kommen, und die Sonne stach Jona auf den Kopf, dass er matt wurde. Da wünschte er sich den Tod und sprach: Ich möchte lieber tot sein als leben. 9 Da sprach Gott zu Jona: Meinst du, dass du mit Recht zürnst um des Rizinus willen? Und er sprach: Mit Recht zürne ich bis an den Tod. 10 Und der HERR sprach: Dich jammert der Rizinus, um den du dich nicht gemüht hast, hast ihn auch nicht aufgezogen, der in einer Nacht ward und in einer Nacht verdarb,
11 und mich sollte nicht jammern Ninive, eine so große Stadt, in der mehr als hundertzwanzigtausend Menschen sind, die nicht wissen, was rechts oder links ist, dazu auch viele Tiere?
Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde,
Was für eine Geschichte voller Dynamik und Humor. Und die meisten von Ihnen werden sie kennen. Im Mittelpunkt steht Jona. Er soll im Auftrag Gottes als Prophet nach Ninive ziehen, um den Menschen dort das Gericht Gottes zu verkündigen, weil sie so viel Böses tun.
Doch wenn ich Ninive höre, denke ich an Klaus-Peter Hertzsch, seligen Angedenkens. Er war Professor für praktische Theologie in Jena und hat für seine Patenkinder biblische Balladen gedichtet, um ihnen die Geschichten nahezubringen. Und wer in der Kirche in DDR-Zeiten aufwuchs, kennt die Ballade über Jona und hat sie sofort im Ohr: „Wie schön war die Stadt Ninive:
Wie schön war aus der Fern und Näh,
wie schön war die Stadt Ninive!
sie hatte Mauern, stark und dick.
Die Wächter machten Blasmusik.
Ein Stadttor war aus blauen Ziegeln
mit schwerer Tür und goldenen Riegeln,
davor zwölf bärtige Soldaten
von einem Bein aufs andre traten.
….
Und Gott sah aus von seiner Höh
und sah auf die Stadt Ninive.
Die schöne Stadt, sie macht´ ihm Sorgen,
die Bosheit blieb ihm nicht verborgen.
Da tranken sie. Da aßen sie.
Die Hungernden vergaßen sie.
Der König schickte die Soldaten,
die plünderten in fremden Staaten.
….
„Los, Jona“, sprach der Herr, „nun geh
auf schnellstem Weg nach Ninive!
Sag ihr mein Wort! Sei mein Prophet,
weil es dort leider übel steht
Da hilft nur eine kräftige Predigt,
sonst ist die schöne Stadt erledigt!“
Doch Jona wurde blass vor Schreck
und sagte zu sich: „Nichts als weg!
Die Forderung an Jona ist heftig: Ein Prophet aus dem kleinen Vasallenstaat Israel soll in die Hauptstadt des assyrischen Großreichs gehen, um den Menschen dort die kritische Meinung Gottes zu verkünden. Also heute in etwa so: ein Prophet aus Lwiw in der Ukraine bekommt den Auftrag nach Moskau zu gehen und Gottes Gericht anzukündigen. Wenn nicht sofort der Angriffskrieg beendet, alle Truppen abgezogen und eine echte Umkehr stattfindet, wird Gott die Stadt in 40 Tagen vernichten.
Das kann nicht gut gehen, denkt sich Jona völlig zurecht – flieht zur Küste und rauf auf ein Schiff nach Tarsis. Unterwegs gerät das Schiff in einen bösen Sturm. Verzweifelt losen die Mitreisenden, wer Schuld ist am drohenden Untergang. Das Los fällt auf Jona und der bekennt sich auch gleich zu seiner Schuld und bittet darum, ins Meer geworfen zu werden, damit Gottes Zorn und der Sturm still werden. Aber niemand will ihn über Bord werfen. Stattdessen rudern sie wie die Wilden. Als der Sturm immer heftiger wird und Jona seine Mitreisenden sehr nachdrücklich auffordert, ihn über Bord zu werfen, machen sie es schließlich. Der Sturm lässt nach. Schiff und Mannschaft sind gerettet. Gott schickt einen großen Fisch, der Jona verschluckt. Im Bauch des Fisches verbringt Jona drei Tage und singt einen wundervollen Psalm für Gott. Dann spuckt der Fisch Jona wieder an Land.
Die drei Tage, die Jona im Bauch des Fisches war, wurden von den ersten Christen als Zeichen verstanden für die drei Tage zwischen Tod und Auferstehung Jesu – das Zeichen des Jona.
Und Gott sah aus von seiner Höh´
und sah auf die Stadt Ninive.
Sah auch den guten Fisch und sah:
Jetzt ist der Jona wieder da.
Und sprach zu ihm: „Nun aber geh
auf schnellstem Weg nach Ninive!“
Jonas zieht nach Ninive und verkündet den Leuten dort Gottes Gericht: In 40 Tagen wird Gott die Stadt untergehen lassen, sagt Jona im Auftrag Gottes.
Jona, der Prophet, ist Realist. Er sieht sich vor einen unmöglichen Auftrag gestellt. Niemals wird der größte und brutalste Herrscher aller Zeiten auf Jonas Gerichtsrede positiv reagieren. Die Assyrer waren über Jahrhunderte der Schrecken des Orients. Im Palast des assyrischen Königs (im British Museum in London sind die Tafeln ausgestellt) hingen Bilder, wie die Assyrer ihre hebräischen Feinde pfählen, häuten und vierteilen. Zehntausende wurden als Sklaven deportiert. Die Bilder dieser Gräuel dienen im Königspalast als Demonstrationen der assyrischen Macht. Der göttliche Auftrag an Jona ist ganz und gar unmöglich. Die Flucht vor diesem Auftrag ist die einzig realistische Option. Erst das Wunder mit dem Fisch, der ihn verschluckt und wieder an Land spuckt, öffnet Jona die Augen. Bei Gott ist mehr möglich, als er als Realist sich vorzustellen vermag. Wenn das mit dem Fisch geht, dann geht vielleicht auch das mit dem Auftrag in Ninive. Und das Wunder geschieht tatsächlich. Der größte und brutalste Machthaber der Welt bereut seine Taten. Er, und mit ihm die ganze Stadt, geht in Sack und Asche. Es geschieht mehr als Jona glauben kann. Stellen Sie sich mal vor: Wladimir Putin kommt zur Vernunft und zieht die Truppen ab. Und in Nordkorea setzt man statt auf Atomwaffen auf Aussöhnung oder die Bundesregierung beendet das Aufrüsten ehe es richtig Fahrt aufgenommen hat – das ist alles unwahrscheinlich, aber bei Gott möglich. An den Fall der Mauer haben auch viele vorher nicht geglaubt.
Die Menschen in Ninive packt das Entsetzen über ihre eigenen Untaten. Sie tun Buße und rufen eine Fastenzeit aus. Selbst der König von Ninive schließt sich dieser Bewegung an und macht sich die Fastenaktion zu eigen. Er verkündet: „Sie sollen sich in den Sack hüllen, Menschen und Vieh, und zu Gott rufen mit Macht. Und ein jeder bekehre sich von seinem bösen Wege und vom Frevel seiner Hände! Wer weiß? Vielleicht lässt Gott es sich gereuen und wendet sich ab von seinem grimmigen Zorn, dass wir nicht verderben.“
Und Gott sah aus von seiner Höh´
und sah auf die Stadt Ninive.
Und sah die traurigen Gestalten und sprach:
„Ich will die Stadt erhalten.“
Damit hatte Jona nicht gerechnet, oder doch? Wird er nun zum falschen Propheten, weil Gott zu gnädig ist?
Unsere Geschichte spielt im 7. Jahrhundert vor Christus in der Zeit der Assyrer. Die Assyrer hatten die Gegend mit Krieg überzogen und das Nordreich vollkommen zerstört. Ninive war die assyrische Hauptstadt. Sie liegt heute auf dem Stadtgebiet von Mossul, der zweitgrößten irakischen Stadt mit knapp 3 Millionen Einwohnern. Nach dem völkerrechtswidrigen Krieg der USA und anderer Verbündeter gegen den Irak wurde die Region destabilisiert und 2014 wurde Ninive-Mossul von den Truppen des Islamischen Staates besetzt. Die etwa 25.000 Christen der Stadt wurden dabei vor die Wahl gestellt, zum Islam zu konvertieren, ermordet zu werden oder zu fliehen. Viele erlitten das Martyrium, wurden brutal ermordet und gekreuzigt. Einige von ihnen konnten nach Deutschland fliehen. Berlin hat eine der größten Gemeinden aramäischer Christen außerhalb des Orients. Die Stadt wurde drei Jahre später von irakischen Streitkräften zurückerobert. Aber der Weg ist bis heute steinig und der Wiederaufbau nicht einmal in Ansätzen abgeschlossen. Die Stadt Ninive – Mossul ist nicht mehr schön. Zerstörung geht schnell, Wiederaufbau, gar Heilung an Leib und Seele braucht lange und gelingt oft nur bruchstückhaft. Und das Misstrauen zwischen Christen und Muslimen ist nach diesen schrecklichen Jahren tief.
Ist denn Umkehr möglich, wie beim wiedergefundenen Sohn oder bei den Menschen von Ninive? Die Jonageschichte sagt: Ja. Anders als bei der griechischen Seherin Kasandra, der keiner zuhören will, wenn sie das Unheil ansagt. Bei Jona hören alle zu und ändern sogar ihr Leben.
Wie reagiert nun aber Gott auf die Buße der Assyrer? Im Predigttext (Jona 3,10) heißt es: „Als aber Gott ihr Tun sah, wie sie sich bekehrten von ihrem bösen Wege, reute ihn das Übel, das er ihnen angekündigt hatte, und tat's nicht.“ Gott ist barmherzig. Wer seine Sünden wirklich bereut, kann mit Gottes Gnade rechnen. Gott ist barmherzig – das ist die Botschaft des Jonabuches. Gottes Barmherzigkeit gehört auch zu den Kernsätzen des islamischen Glaubens. Darüber muss die Verständigung zwischen Christen und Muslimen laufen, denn für beide Religionen gehört Gottes Barmherzigkeit zum Kernbestand des eigenen Bekenntnisses. Und heute am Tag der Augsburger Konfession gilt es das gemeinsame im Bekenntnis zu betonen, das unser Text uns zuruft: Gott ist gnädig, barmherzig, langmütig und von großer Güte!
Gott ist barmherzig und lässt den Sünder leben. Wie ist das aber mit uns Menschen? Wie unbarmherzig sind wir Menschen oft! Wir ziehen zwar nicht mordend durchs Land und verbreiten Schrecken, aber unbarmherzig und hartherzig wegsehen oder nur auf die eine Seiter der Opfer schauen oder nur auf uns. An unserer Barmherzigkeit gibt es noch viel zu arbeiten, und auch an der von Jona. Das zeigt uns das Ende der Geschichte. Jona geht es wie Sportlern nach einem großen Turniersieg. Er fällt in ein großes, seelisches Loch. Todesmutig hat er seinen Auftrag ausgeführt. Dass er ihn überlebt, damit konnte er kaum rechnen. Doch nun ist alles gelungen. Die Botschaft ist überbracht, sie kam sogar an und alles wendet sich zum Guten. Doch Jona bleibt leer, kraftlos, ausgelaugt zurück: „Ich möchte lieber tot sein als leben“. Ausgebrannt. Er hat alles gegeben und Gott macht ihn zum falschen Propheten. So will er nicht leben und er klagt Gott an.
Geradezu grotesk ist, dass Jona Gott wegen seiner Barmherzigkeit anklagt: „Ach, HERR, das ist's ja, was ich dachte, als ich noch in meinem Lande war, weshalb ich auch eilends nach Tarsis fliehen wollte; denn ich wusste, dass du gnädig, barmherzig, langmütig und von großer Güte bist und lässt dich des Übels gereuen.“ Floh er nicht aus Angst? Aber jetzt, wo er überlebt hat, kann Jona Gott dessen Großzügigkeit nicht verzeihen. Jona ist nachtragend. Viele Menschen sind nachtragend. Sie vergessen nicht, was ihnen einmal Übles zugefügt ode gesagt wurde. Noch nach Jahren wissen sie genau, wer ihnen wann und wo einmal vermeintlich oder wirklich etwas Böses getan hat. Sie blockieren damit sich selbst und ihre Zukunft. Sie halten fest an den Verletzungen ihres Lebens und verpassen damit, sich für gegenwärtige und künftige Glücksmomente zu öffnen. Gewiss gibt es Verletzungen, die schwer heilen. Ja es gibt fürchterliche Traumata, die einen ein Leben lang verfolgen und bei denen das Verzeihen kaum oder gar nicht möglich ist.
Aber bei vielen Verletzungen und Kränkungen, die wir erleiden, handelt es sich um kleinere Probleme. Wer sich zu lange oder zu intensiv mit ihnen beschäftigt, der verpasst das Leben, der macht sich das Leben selbst schwer. Aus Gottes Perspektive gehört auch Jona zu diesen Leuten und deshalb erteilt er ihm eine Rizinus - Lektion.
Erst spendet die Staude Jona Schatten, dann geht sie wieder ein und Jona muss aufs Neue die Hitze der Sonne ertragen. Und wieder erweist sich Jona als Wutbürger und ärgerlich über Gottes Erbarmen und voller Wut über die Kränkung mit dem Rizinus und will am liebsten nicht mehr leben. Und fast hat man den Eindruck, als würde Gott sich dem gekränkten Jona humorvoll nähern. Wie ein großer Pädagoge fragt Gott das heulende Kind Jona: Meinst du, dass du zurecht zürnst wegen der Staude? – Und ganz im Stil des trotzigen Kindes antworte Jona: „Mit Recht zürne ich bis an den Tod!“
Mit dieser Einstellung haben wir seit Jahren viel zu tun. Gekränkte und wütende Menschen, die selbstgerecht auf ihrem Recht zum Zorn bestehen. Wutbürger, Querdenker und Verschwörungsrauner sind Versuche dies Phänomen zu beschreiben. Und oft sind auch die Gegner voll selbstgerechtem Zorn. Bei Jona ist es der Zorn, dass die angesagte Zerstörung jetzt nicht kommt und er zum falschen Propheten wird.
Doch Gott wird gegenüber Jona deutlicher: Du jammerst wegen der Staude und hast wegen deines eigenen Wehwehs unendlich Mitleid mit dir selbst. Und ich soll nicht mit den Menschen von Ninive Mitleid habe, die zwar viel Böses getan haben, aber nun auf dem Weg der Umkehr sind? Was an der Frage Gottes an Jona besonders berührt, ist, dass er ausdrücklich auch die Tiere in Ninive einschließt: „mich sollte nicht jammern Ninive, eine so große Stadt, in der mehr als hundertundzwanzigtausend Menschen sind, die nicht wissen, was rechts oder links ist, dazu auch viele Tiere?“ – Nicht nur die Menschen, auch die Tiere tun Gott leid. Was für ein großartiges Wort – wie lange hat es gebraucht bis auch die Menschen gelernt haben, gegenüber Tieren barmherzig zu sein. Und wir sind es ja meist bis heute noch nicht.
„Ist das nicht komisch und tragisch zugleich“, fragt der emeritierte Alttestamtler Rüdiger Lux in einer seiner Predigtmeditationen, „dass Gott mitunter mehr Not hat mit denen, die ihm nahe sind, die in seinem Dienst stehen wie Jona und der ältere Sohn in Lk 15 [Gleichnis vom verlorenen Sohn], als mit jenen, die ihm vermeintlich ferner standen wie die Bewohner von Ninive oder sich von ihm entfernt haben und in der Welt herumtreiben wie der jüngere Bruder?“
Kann es ein, dass wir, die wir (vermeintlich) nahe dran sind am barmherzigen, gnädigen Gott, blind geworden sind für seine Güte? Gott hat Mitleid mit Ninive – Jona nicht. Können wir das nachvollziehen? Gott hat ganz offensichtlich keine Mitleidsgrenzen – wir schon. Immer aber wenn wir Mitleidsgrenzen ziehen, ahnen wir, nein: wissen wir, dass Christus auf der anderen Seite der Grenze steht.
Gott ist barmherzig – das ist das große Credo des Jonabuches. Gott ist so barmherzig, dass es die Menschen kaum aushalten. Gottes Barmherzigkeit weckt den menschlichen Ärger. Barmherzigkeit provoziert. Man glaubt das erst, wenn man es erlebt. Die Jonageschichte steckt voller Witz und Humor, voller Übertreibung und Erzähllust. Eine Geschichte vom unbarmherzigen Menschen und vom barmherzigen Gott und sie endet offen mit einer Frage, wie auch das Gleichnis vom heimgekehrten Sohn mit der offenen Bitte des Vaters endet. Wir wissen weder was der ältere Bruder tun wird und auch nicht was Jona tut. An uns ist es die Geschichte der Barmherzigkeit weiterzuschreiben. Und was bei Jona Anklage ist, ist doch im letzten Gotteslob: „Ich wusste, dass du gnädig, barmherzig, langmütig und von großer Güte bist!“. Was kann man Schöneres über Gott sagen als das? Gott, du bist gnädig, barmherzig, langmütig und von großer Güte.“ – Lass auch uns so sein und lass uns auf Dich hören:
Gott sprach zu ihm ein gutes Wort:
„Jetzt weinst du, weil dein Baum verdorrt,
den du nicht wachsen lassen kannst
und den du nicht mal selbst gepflanzt.
Da sollte ich nicht traurig werden,
wenn meine Kinder dort auf Erden
Verderben und zugrunde gehen,
weil sie mein Wort nicht gut verstehn?
Da sollte ich die Stadt nicht schonen,
in der so viele Menschen wohnen,
so viele Eltern, viele Kinder,
so viele arme, dumme Sünder,
so viele fröhliche Gesellen –
dazu die Tiere in den Ställen!
Vielleicht für dich zum guten Schluss
wächst bald ein neuer Rizinus.
Bestimmt, du wirst dich an dem neuen
genauso wie am alten freuen.
Dann denke: So in seiner Höh´
freut sich der Herr an Ninive.“
AMEN
Denn der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. AMEN