02.02.2023
Als Christen gegen Waffen sein | Interview mit IDEA

Der Friedensbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland, Landesbischof Friedrich Kramer, ist ein erklärter Gegner von Waffenlieferungen an die Ukraine. Diese Haltung hat ihm viel Kritik eingebracht. IDEA-Redakteur Daniel Scholaster hat mit ihm gesprochen.

IDEA: Weshalb halten Sie es weiterhin für richtig, dass Deutschland keine Waffen an die Ukraine liefert?

Kramer: Wir stehen in der Gefahr, in einer Aufrüstungsspirale zu landen. Waffenlieferungen haben noch keine Kriege beendet und verlängern sie eher. Sobald wir Waffen in Kriegs- oder Krisengebiete geschickt haben, können wir nicht mehr kontrollieren, was damit geschieht.

Wie wir wissen, hat ja die Ukraine mit Korruption zu kämpfen – da verschwinden auch mal Waffen. Ich bin ohnehin der festen Überzeugung, dass dieser Krieg nur am Verhandlungstisch beendet werden kann. Interessanterweise hat sich bisher vor allem die Türkei als Vermittler zwischen den beiden Kriegsparteien hervorgetan. Diese Rolle hätte Deutschland auch sehr gut zugestanden.

Aber unsere Waffenlieferungen an die Ukraine haben diese Option verhindert. Ich fand es interessant, wie schnell der russische Vorschlag eines Waffenstillstands im März 2022 in Deutschland als rein ideologischer Vorstoß zurückgewiesen wurde. Es macht mir große Sorgen, wie scharf diese Debatte inzwischen geführt wird.

IDEA: Fühlen Sie sich mit Ihrer Position innerhalb der EKD isoliert?

Kramer: In der EKD ist meine generelle Ablehnung von Waffenlieferungen eine Minderheitsmeinung. Aber die pazifistische Haltung wird durchaus von vielen geteilt. Und in der weltweiten Kirche glauben ebenfalls viele, dass wir Christen für den Frieden eintreten müssen, was nicht heißt, dass wir die russische Aggression billigen. Das hat sich auch bei der letzten Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen in Karlsruhe gezeigt.

IDEA: Die Befürworter von Waffenlieferungen argumentieren, dass die Deutschen nicht einfach zusehen dürften, wie die Ukrainer von einem stärkeren Gegner überwältigt werden. Wer eine pazifistische Haltung vertrete, würde ihr Leid noch verschlimmern. Wie begegnen Sie diesem Vorwurf?

Kramer: Dass eine pazifistische Position Leid befördert, ist ein perfides Argument. Denn wer Waffen liefert, sieht hinterher auch nur zu. Außerdem befeuert er den Konflikt möglicherweise sogar noch. Im Übrigen gab es mal eine Zeit, in der es völkerrechtlicher Standard war, dass man sich nicht in die Kriege anderer Staaten einmischt.

Gerade wir Deutschen haben ja z. B. im Dreißigjährigen Krieg (1618–1648) erlebt, wie es ist, wenn sich immer mehr Mächte in einen Konflikt einmischen und am Ende das ganze Land in Trümmern liegt. Mein Dienstsitz als Landesbischof – Magdeburg – ist damals auf so grausame Weise geplündert und zerstört worden, dass „magdeburgisieren“ zu einem festen Begriff wurde.

Ich halte in diesem Zusammenhang auch alle Vergleiche mit der Nazi-Zeit für problematisch. Wir sollten die Russen und Russland nicht dämonisieren. Denn sonst würde als Konsequenz irgendwann die Forderung aufkommen, mit der Ukraine bis Moskau zu marschieren. Es ist absurd, dass bereits gefordert wird, man solle in Deutschland nicht mehr Dostojewski lesen, weil er Russe war.

IDEA: Vielen Dank für das Gespräch!

IDEA e.V.
Evangelische Nachrichtenagentur 
www.idea.de


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