11.10.2022
Bischöfe auf Schulvisite: Lehrermangel gefährdet Religionsunterricht

Stendal (epd). „Was ist denn ein Bischof?“, fragt Lehrerin Carola Ebert die Schülerinnen und Schüler.

Denn die dritten und vierten Klassen der Grundschule am Stadtsee in Stendal (Sachsen-Anhalt) bekamen am Montag Besuch: Landesbischof Friedrich Kramer von der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) und der katholische Magdeburger Bischof Gerhard Feige besuchten gemeinsam mit Sachsen-Anhalts Bildungsministerin Eva Feußner (CDU) die Stendaler Schule. Sie wollten sich vor Ort über die Situation des Religionsunterrichts im Land informieren.

Denn „Reli“, wie der Unterricht häufig abgekürzt wird, feiert sozusagen Geburtstag: Vor 30 Jahren, kurz nach der Wiedervereinigung, führte Sachsen-Anhalt den konfessionellen Religionsunterricht im Land ein. 30 Jahre danach ist die Zukunft des Unterrichtsfachs offen. Eine abnehmende Kirchenbindung bei Eltern und Schulkindern, die in den ostdeutschen Bundesländern ohnehin nicht stark ausgeprägt ist, schlägt sich auch in den Schülerzahlen nieder. Nach Angaben der Edith-Stein-Schulstiftung, einer Trägerorganisation mehrerer katholischer Schulen im Bistum Magdeburg, nehmen derzeit von allen Schülern allgemeinbildender Schulen im Land Sachsen-Anhalt rund 16 Prozent am evangelischen Religionsunterricht an öffentlichen Schulen teil, gut 83 Prozent wählen das Alternativfach Ethik. Nur etwa ein Prozent besucht den katholischen Religionsunterricht an öffentlichen Schulen.

Ein weiteres Problem kommt hinzu: In Sachsen-Anhalt herrscht Lehrermangel. Nachwuchs bleibt aus, der Altersdurchschnitt der Lehrerkollegien steigt an. Auch an der Grundschule am Stadtsee in Stendal macht sich das bemerkbar. Carola Ebert ist die einzige Lehrerin für evangelischen Religionsunterricht, katholischen gibt es hier mangels Nachfrage ohnehin nicht. Früher, so erzählt sie im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd), hatte sie in jeder Jahrgangsstufe eine eigene Klasse, ab der 3. Klasse war der Unterricht zweistündig. Heute unterrichtet sie jahrgangsübergreifend die erste und zweite sowie die dritte und vierte Klasse jeweils gemeinsam, beide mit je einer Wochenstunde.

Dabei geht es in ihrem Unterricht recht bunt zu: Neben evangelischen und wenigen katholischen Schülern sind auch Nichtgetaufte sowie syrische Christen oder Kinder aus der Ukraine dabei. Das bedeutet für die Lehrerin: Sie muss bei null anfangen, kann kein religiöses Vorwissen mehr voraussetzen.

Für die beiden Bischöfe ist es nach einer Visitation der Landesschule Pforta, einem Internatsgymnasium in Naumburg (Saale), in der vergangenen Woche bereits der zweite gemeinsame Schulbesuch. „Ich hatte mir nicht vorgestellt, dass die Situation so schwierig ist“, reagierte Bischof Feige auf die Schilderungen der anwesenden Lehrerinnen zum Unterrichtsausfall an der Schule.

Und Bildungsministerin Feußner machte wenig Hoffnung, dass sich an der Situation bald etwas ändern würde. „Wir werden bis Mitte, vermutlich sogar bis Ende des Jahrzehnts erhebliche Versorgungsprobleme haben“, machte sie deutlich.

Für Landesbischof Kramer könnte eine Lösung im projektorientierten Unterricht liegen, bei dem sich die Schüler für einen bestimmten Zeitraum pro Schuljahr mit einem Thema beschäftigen. Hier sollte man über Möglichkeiten nachdenken, verlässliche Regelungen zu schaffen. Für Schulleiterin Silke Kahrstedt kann dies jedoch nur ein ergänzendes Angebot sein, das den regulären Religionsunterricht ergänzt.

Ein weiteres Modell wird bereits an vier Schulen in Sachsen-Anhalt ausprobiert: Dort wird - wie in anderen Bundesländern bereits üblich - konfessionsübergreifender Religionsunterricht angeboten. Neben der Landesschule Pforta nehmen Schulen in Halle (Saale) und Aschersleben daran teil - und sogar das katholische Norbertus-Gymnasium in Magdeburg, um dort auch die evangelischen Schüler zu versorgen.

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Mehr Informationen zu den Schulbesuchen: https://religionsunterricht.bildung-ekmd.de/


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