18.11.2019
Bischof Kramer: Keine Verzagtheit trotz Mitgliederschwund

epd-Gespräch: Dirk Löhr und Jens Büttner Sinkende Mitgliederzahlen dürfen nach Überzeugung des neuen Landesbischofs der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland nicht zu Verzagtheit und Verdruss führen. Es habe etwas Lähmendes, wenn man nur auf den demografisch bedingten Mitgliederschwund schaue, sagte Bischof Friedrich Kramer dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Der Leitende Geistliche der evangelischen Kirche in Sachsen-Anhalt und Thüringen fügte hinzu: "Es kommt vielmehr darauf an, dass wir lebendige Gottesdienste und eine gute Seelsorge machen, dass man merkt, dass Kirche was zu sagen hat." Dies hänge "nicht von Zahlen ab".

Allerdings stehe seine Kirche vor der Aufgabe, Strukturen anzupassen. Dabei sprach sich Kramer für Flexibilität und Erprobungsräume aus: "Wenn wir Strukturanpassungen weiterhin machen auf der Basis Pfarrer und Gemeinde, würde das einen enormen und letztlich sinnlosen Kraftaufwand bedeuten." Er glaube, dass der künftige Weg über stärkere Spezialisierungen der Gemeinden führt. Kramer sagte: "Nach einer aktuellen Studie brennen Pfarrer nicht aus, weil sie zu viel arbeiten, sondern zu vieles." Dies sei letztlich eine Überforderung und führe zu Frust.

Seine Vision für die Landeskirche in zehn Jahren sei, dass diese dann noch eine halbe Million Mitglieder habe. Aktuell sind es noch rund 700.000 Mitglieder. Zweitens hoffe er, dass alle Kirchen erhalten werden können: "Wir sind hier Sachverwalter eines grandiosen Erbes im mitteldeutschen Raum." Die gesellschaftliche Relevanz von Kirche werde in Zeiten der Polarisierung und des Auseinanderfallens zunehmen, weil es Orientierung in der Gesellschaft brauche.

Nach Thüringen-Wahl: Kramer fordert Kompromisse

In der komplizierten politischen Situation nach der Landtagswahl in Thüringen hat Landesbischof Friedrich Kramer Kompromissbereitschaft der handelnden Akteure angemahnt. Er erwarte, dass die Parteien im demokratischen Spektrum einen Konsens finden, sagte Kramer dem Evangelischen Pressedienst (epd) und fügte hinzu: "Wir brauchen eine politische Kultur, die den Kompromiss stark macht." Zu auch von Theologen erhobenen Forderungen nach neuen Runden Tischen äußerte er sich zurückhaltend.

"Zunächst einmal müssen die politisch Verantwortlichen ihre Verantwortung wahrnehmen", sagte der Bischof. Dazu gehöre auch die Frage, warum es zu dieser gesellschaftlichen Situation gekommen sei. "Eine wichtige Aufgabe besteht darin, komplexe Dinge zu vereinfachen", auch wenn dies im politischen Geschäft nicht immer leicht sei.

Nur wenn es bei der Regierungsbildung zur vollkommenen Lähmung käme, könnte über andere Optionen geredet werden. "Das Modell der Runden Tische ist sicherlich schön, aber man muss schauen, wo es geht und wer sich dort zusammenfindet", unterstrich der Bischof. Wenn Runder Tisch meine, in der Gesellschaft stärker miteinander ins Gespräch zu kommen, könne er dies "nur wärmstens empfehlen".

Die Beauftragten der Kirche bei Landtag und Landesregierung sprächen mit allen Parteien. Als Bischof werde er selbst "mit allen reden, die mit mir reden wollen." Einzig mit der AfD sehe er aktuell keine Gesprächsmöglichkeit: "Wir sollten als Kirche nicht mithelfen, Parteien mit einem antikirchlichen Kurs aufzuwerten."

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