03.07.2023
Bundeszentrale für politische Bildung: Wahl der AfD mehr als Protest
Berlin (epd). Der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, Thomas Krüger, hat davor gewarnt, die Wahl der AfD als Protest oder als typisch ostdeutsch abzutun.
Das sei eine Verharmlosung, sagte Krüger dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (RND, Sonntag) mit Blick auf die Wahl des Politikers Robert Sesselmann zum ersten deutschen AfD-Landrat im thüringischen Sonneberg sowie hohe Umfragewerte für die Partei. „Die Wählerinnen und Wähler wollen diese Partei, darin besteht der Ernst der Lage“, betonte Krüger.
Hinter dem Etikett „typisch ostdeutsch“ verberge sich eher der Versuch der Nicht-Ostdeutschen, das Phänomen zu erklären, sagte Krüger, der selbst aus Thüringen kommt. „Und dieses Phänomen besteht darin, dass relativ gut situierte Bürgerinnen und Bürger in einem sehr kleinen Landkreis der Meinung sind, dass rassistische, antisemitische und menschenfeindliche Positionen von einer vorrangig von Westdeutschen repräsentierten und in Teilen rechtsextremen Partei salonfähig gemacht werden.“
Vergangenen Sonntag wurde Sesselmann als erster AfD-Politiker in Deutschland in das Amt eines Landrates gewählt. Bei der Stichwahl im Landkreis Sonneberg erhielt er 52,8 Prozent der Stimmen, sein Gegenkandidat Jürgen Köpper von der CDU unterlag mit 47,2 Prozent. Auch in Umfragen hat die AfD zuletzt zugelegt.
Krüger bezeichnete die AfD als „erfolgreiches Radikalisierungskollektiv“. In Teilen der Gesellschaft hätten sich bestimmte Positionen etabliert, die nicht hinnehmbar und mit demokratischen Prinzipien unvereinbar seien.
Der Rechtsextremismus-Experte Martin Becher macht derweil für das starke Abschneiden extrem rechter Parteien wie der AfD auch den Umgang der demokratischen Parteien untereinander verantwortlich. Mit öffentlichen Streitereien nähmen sich die Ampel-Parteien, aber auch CDU/CSU, nicht in erster Linie gegenseitig Stimmenanteile ab, sondern trieben die Wähler ins nicht demokratische Spektrum, sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd). Natürlich gehörten Streit und inhaltliche Auseinandersetzungen zum politischen Tagesgeschäft - aber für zahlreiche Menschen seien solche Debatten offenbar zu viel.
Ein wichtiger Beitrag zur Lösung wäre für ihn „ein Konservatismus, der weiß, wofür er steht, und sich nicht nur durch Abgrenzung definiert, sowie ein Zusammenspiel von progressiven und konservativen demokratischen Kräften gegen rechtsaußen“, sagte Becher. Kontraproduktiv sei es, wenn nun Politiker wie nach der Wahl des ersten AfD-Landrats vor wenigen Tagen im thüringischen Sonneberg fordern, mehr Verständnis für die Probleme der AfD-Wählerinnen und -Wähler zu zeigen.
Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil räumte ein, dass der Streit in der Ampel-Koalition über das Gebäudeenergiegesetz zu einer Unsicherheit in Deutschland beigetragen habe. „Die AfD profitiert allgemein von Streit und Verunsicherung“, sagte er der „Bild am Sonntag“. Zu sagen, die Ampel-Koalition sei schuld, sei ihm aber zu einfach.
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