04.06.2019
Ehrenamt, Schulen und Nazi-Glocken: Traditionelles Treffen von Thüringer Landesregierung und Kirchen in Erfurt

Erfurt (epd). Vor dem Eindruck der Europawahlergebnisse sind am Montag in Erfurt die Spitzen von Kirche und Land zu ihrem alljährlichen Treffen zusammengekommen. Man habe zur Kenntnis nehmen müssen, dass Deutschland "noch nie so bunt und gleichzeitig so zerrissen war", sagte der Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) im Anschluss an das sogenannte Bischofsgespräch.

Dazu zähle auch das deutliche Ost-West-Gefälle in der Parteienpräferenz.

An dem Treffen nahmen neben weiteren Ministern des rot-rot-grünen Kabinetts die Landesbischöfin der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, Ilse Junkermann, der Bischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Martin Hein, der katholische Bischof des Bistums Erfurt, Ulrich Neymeyr, und der Dekan des Bistums Dresden-Meißen, Klaus Schreiter, teil. Ihre Kirchen haben jeweils Gemeinden auf dem Gebiet des heutigen Freistaates Thüringen.

Nach dem Vorbild des Reformationsjubiläums 2017 wollen Kirchen und Land gemeinsam das Themenjahr "Neun Jahrhunderte jüdisches Leben in Thüringen" ab Herbst 2020 vorbereiten. Die rot-rot-grüne Regierung habe die von der Jüdischen Landesgemeinde gemeinsam mit den Thüringer Katholiken und Protestanten entwickelte Idee dazu gern aufgegriffen, sagte Ramelow in der Erfurter Staatskanzlei.

Nach den guten Erfahrungen des Reformationsjubiläums soll den Angaben zufolge wieder ein Kuratorium mit Vertretern der Kirchen und der Landesregierung eingesetzt werden. Eine Lenkungsgruppe widme sich den konkreten Vorhaben, sagte Landesbischöfin Junkermann. Als erstes Projekt kündigte sie die zum Teil öffentliche Anfertigung einer Tora-Rolle an, die anschließend der Jüdischen Landesgemeinde übergeben werden soll.

Weitere Themen des Treffens waren nach Angaben von Ramelow unter anderem die Festschreibung des Ehrenamts als Staatsziel in der Landesverfassung, das kirchliche Arbeitsrecht und die Finanzierung von Schulen in freier Trägerschaft. Bei letzterem Thema habe man sich auf ein gemeinsames Evaluierungsverfahren geeinigt, dass für eine Kontinuität der staatlichen Zuschüsse sorgen soll, erklärte Ramelow.

Mit Interesse hätten die Mitglieder seiner Regierung zudem die Vorbereitungen für einen konfessionsübergreifenden Religionsunterricht zur Kenntnis genommen. Unterstützung versprach der Ministerpräsident auch bei der Umsetzung eines Modellvorhabens, katholische Religionslehre über das Internet zu unterrichten.

Bischof Neymeyr bedankte sich für Ramelows persönlichen Einsatz, den Deutschen Katholikentag 2024 nach Erfurt zu holen. Nach der Stadt Erfurt, die für den 9,3-Millionen-Etat des christlichen Laientreffens bereits 600.000 Euro zugesagt hatte, hoffe er auch auf einen finanziellen Beitrag des Landes. Der Bischof versprach im Gegenzug einen Katholikentag "für die ganze Landeshauptstadt".

In der Frage der mit Nazi-Symbolik versehenen Kirchenglocken erneuerte Ramelow die Bereitschaft des Landes, "kreativ zu schauen, wie wir auch finanziell helfen können." Letztlich liege die Entscheidung über die Zukunft der kompromittierten Geläute bei den Kirchgemeinden.

Die Politiker und Geistlichen sahen sich in dieser Runde zum letzten Mal. Bischöfin Ilse Junkermann wird am 6. Juli im Magdeburger Dom aus ihrem Amt verabschiedet. Der Bischof von Kurhessen-Waldeck, Martin Hein, geht im September in den Ruhestand. Am 27. Oktober stellt sich zudem Ministerpräsident Ramelow als Spitzenkandidat seiner Partei den Thüringern zur Wiederwahl.

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