31.08.2023
Ein neues Dach für die "Cabrio-Kirche"

Hüttenrode (epd). Sie ist noch eine Landmarke, aber nicht mehr so wie früher - seit dem Tag, der in der Geschichte des Harzdorfs Hüttenrode bei Blankenburg (Sachsen-Anhalt) unvergessen ist.

Auch heute noch ist die 1748 erbaute Dorfkirche am höchsten Punkt des Dorfes auf 478 Metern von weitem zu sehen, doch der hohe, barocke Kirchturm existiert nicht mehr. Und das Gotteshaus weist noch eine andere Besonderheit auf: Das Kirchenschiff hat kein Dach mehr. „Cabrio-Kirche“ wird der Bau daher auch im Volksmund genannt.

Der Tag, der alles änderte, liegt 50 Jahre zurück. Am 8. August 1973, gegen 13.50 Uhr, zog ein Gewitter über Hüttenrode. Es knallte heftig, dann drangen Rauch und Flammen aus dem Kirchturm. Ein Blitz war eingeschlagen, der Kirchturm stand in Flammen. Er stürzte ein - und fiel auf das Dach des Kirchenschiffs, das ebenfalls zerstört wurde.

Zwar begannen die Hüttenroder im Jahr 1986, einen kleinen, geschieferten Kirchturm wieder aufzubauen, der 1991 fertiggestellt wurde. Doch das Kirchenschiff liegt weiterhin frei. Andreas Flügel, einer der rund 1.000 Einwohner des Harzdorfes, ist heute Vorsitzender des Fördervereins „Kirche in Hüttenrode“. Er wurde 2014 gegründet, um die Ruine vor dem Verfall zu retten. Denn die Mauern waren der Witterung schutzlos ausgesetzt, drohten ganz einzustürzen.

„Unsere ursprüngliche Aufgabe war, die Reste der Kirche zu bewahren“, erzählt Flügel im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Dieses Ziel wurde erreicht: Die Kirchenmauern und die Mauerkrone wurden befestigt, der Boden von Bäumen befreit und begradigt. Knapp 300.000 Euro hat die Gemeinde dafür aufgebracht, größtenteils mit Fördergeldern. Doch bald wurde klar: Die Kirche muss wieder ein Dach haben, damit die Ruine im oft schwierigen Harzwetter dauerhaft überleben kann.

„Pläne, die Kirche wieder komplett aufzubauen, gab es und gibt es“, sagt Flügel. Doch sie umzusetzen, wäre zu teuer, statisch kaum machbar - und für rund 20 Gottesdienstbesucher kaum lohnenswert. Stattdessen wurde die „Cabrio-Kirche“ zu einem beliebten Veranstaltungsort. Bei „Rock am Brink“ - eine Anspielung auf die Straße Kirchbrink, an der die Kirche steht, und das bekannte Nürburgring-Festival „Rock am Ring“ - treten Harzer Rocklegenden der 70er und 80er Jahre auf. „Für die ist das wie ein Klassentreffen“, erzählt Flügel.

Bei „Musik für Dach und Haube“ sollen die Dorfbewohner, von denen rund 20 Prozent zur evangelischen Gemeinde gehören, mit verschiedenen Musikrichtungen von Klassik bis Pop angesprochen werden. Auch einen Weihnachtsmarkt gibt es, den Annegret Rockstedt, Küsterin der Gemeinde und Mitglied im Förderverein, als „legendär“ bezeichnet. „Wenn dann Schnee ins Kirchenschiff fällt, ist das fast schon kitschig“, sagt sie im Gespräch.

Zwar konnten durch Sponsoren wieder Fensterscheiben eingesetzt werden, doch durch das offene Dach ziehe immer wieder ein kräftiger Wind hinein. Auch deshalb soll es nun ein Glasdach richten. Nach einigem Hin und Her mit den Denkmalschutzbehörden wird es voraussichtlich ein nur leicht angewinkeltes Dach werden, das weniger auffällig ist. Es soll mit Photovoltaik-Elementen ausgestattet sein, die nicht nur Strom erzeugen, sondern auch als Sonnenschutz dienen. Darüber soll eine Stahlkonstruktion an die ursprüngliche Form des Daches erinnern, erklärt Andreas Flügel.

Eine „hohe sechsstellige Summe“ soll das Dach kosten - doch Rockstedt und Flügel sind optimistisch, dass der rund 30-köpfige Förderverein, in dem Menschen mit und ohne Kirchenbindung aktiv sind, genügend Spender, Sponsoren und Förderer überzeugen kann. Im Frühjahr wurde der Bauantrag gestellt. „Unser Wunsch wäre, in zwei Jahren fertig zu werden“, sagt Flügel. Aber realistischerweise geht der Verein von drei bis vier Jahren aus. Dann wird die „Cabrio-Kirche“ ein Verdeck bekommen. Der Name wird ihr aber wohl weiterhin anhaften. „Das ist ja auch ein Werbeslogan“, meint Flügel.

Von Oliver Gierens (epd)

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