14.11.2018
Erfurt bekommt die zweite Moschee im Osten | Grundsteinlegung von Protesten begleitet | Ministerpräsident Ramelow betont Wert der Religionsfreiheit
Von Dirk Löhr (epd) Erfurt. Erst zum zweiten Mal wird im Osten Deutschlands eine Moschee gebaut. Nach Berlin, genauer in Pankow-Heinersdorf, ist Erfurt an der Reihe. Dort wurde im Ortsteil Marbach am Dienstag der Grundstein für eine Moschee der Ahmadiyya-Gemeinde gelegt
Im Beisein von Vertretern der demokratischen Parteien und der Zivilgesellschaft, der beiden großen Kirchen und der Jüdischen Landesgemeinde sprach Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) von einem guten Tag für das Grundgesetz und die in ihm verbriefte Religionsfreiheit. Diese gelte für alle Menschen, die friedlich ihren Glauben lebten.
Insgesamt rechne man mit Baukosten in Höhe von 700.000 Euro, sagte der Bundesvorsitzende der Glaubensgemeinschaft, Abdullah Uwe Wagishauser. Es entstehe kein "Protzbau", sondern ein funktionales Gebäude mit Kuppel und einem acht Meter hohen Zierminarett, das letztlich nicht größer als ein Zweifamilienhaus sein werde. Nach seinen Worten verfolgt die Ahmadiyya-Gemeinde im Osten Deutschlands aktuell nur noch in Leipzig Planungen für einen weiteren Moschee-Neubau.
Er rief die künftigen Nachbarn zum friedlichen Miteinander auf. Es gehe es nicht nur um den Bau einer Moschee, es werde auch der Grundstein für Respekt, Harmonie und ein Miteinander gelegt, sagte Wagishauser. Wie in Pankow-Heinersdorf setze er darauf, dass aus den Skeptikern von heute die Freunde von morgen würden. Diese Erfahrungen mache Ahmadiyya-Gemeinde an all ihren Standorten, versprach er.
Bis dahin ist es wohl noch ein weiter Weg. Vor dem Baugrundstück demonstrierten nach Angaben der Polizei, die mit einem Großaufgebot vor Ort war, etwa 60 Moschee-Gegner. Ihnen hatte sich eine gleichgroße Menge Unterstützer entgegengestellt. Zu ihnen zählten neben einigen Stadträten auch Christen aus den Kirchgemeinden der Thüringer Landeshauptstadt.
Fast alle Redner gingen auf die Schwierigkeiten ein, denen sich die Ahmadiyya-Gemeinde bisher in Erfurt ausgesetzt sah. In den vergangenen zwei Jahren hatte der Vorort der Landeshauptstadt mit seinen über 4.000 Einwohnern viele unschöne Szenen erleben müssen. So demonstrierten Rechtsextreme gegen den Neubau. Im März vorigen Jahres errichtete eine Gruppe meterhohe Holzkreuze auf dem Nachbargrundstück der geplanten Baustelle.
Auf die Mahnung der beiden großen Kirchen, das christliche Symbol nicht als "Kampfzeichen" zu missbrauchen, reagierten sie mit Häme. Zwei Monate später wurden auf dem künftigen Bauplatz Tierkadaver abgelegt. Erst kürzlich zogen vermummte Moschee-Gegner durch den Ort und machten vor dem Haus der Grünen-Landtagsabgeordneten Astrid Rothe-Beinlich einen Zwischenstopp.
Die Skepsis gegenüber den Muslimen im Land wächst. Erst in der vergangenen Woche legten Jenaer Wissenschaftler neue Befunde dafür vor. Laut Thüringen-Monitor würden sich von den über 1.000 im Frühsommer befragten Thüringern 63 Prozent von einer Moschee in der Nachbarschaft "eher bis sehr" gestört fühlen. Das ist der höchste Wert, den die Langzeitstudie zur Entwicklung der politischen Kultur bisher ermittelt hat; 2016 lag er noch bei 55 und 2012 bei 50 Prozent.
Für die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM) stand der Neubau der Moschee nie infrage. Mit Blick auf das Grundgesetz könne man ja auch gar nicht anders, betonte Landesbischöfin Ilse Junkermann immer wieder. Religionsgemeinschaften hätten das Recht auf freie Ausübung ihrer Religion. Dieses Recht gelte auch, wenn Religion zu Architektur werde - wie beim Bau einer Kirche, einer Synagoge oder eben einer Moschee. Bei der Grundsteinlegung wurde Junkermann von Christian Stawenow, dem Regionalbischof des Propstsprengels Eisenach-Erfurt, vertreten. Er wünsche, dass der Bau der Moschee in friedlicher und toleranter Atmosphäre gelingen möge, sagte der Propst.
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