18.09.2020
Friedhöfe werben als "immaterielles Kulturerbe"

Berlin (epd). Mit einer bundesweiten Aktion wollen Betreiber von Friedhöfen in Deutschland auf deren gesellschaftliche Bedeutung aufmerksam machen.

Zum Auftakt der Aktion "Immaterielles Erbe Friedhofskultur" am Donnerstag in Berlin bezeichnete Kulturstaatssekretär Gerry Woop (Linke) historische Friedhöfe als unvergleichliches Archiv der Kunst- und Kulturgeschichte. Bereits ein Drittel der mehr als 240 Friedhöfe Berlins stehen seinen Angaben nach unter Denkmalschutz.

Der Berliner evangelische Bischof Christian Stäblein betonte auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof, die Friedhofskultur sei ein wichtiger Teil des gemeinsamen Gedächtnisses. Sie zeige "wie die Gesellschaft mit Tod und Sterben umgeht". Dies sei der Gradmesser für jede Kultur schlechthin.

Hintergrund ist die Auszeichnung der Friedhofskultur in Deutschland als "Immaterielles Kulturerbe" durch die Kultusministerkonferenz auf Vorschlag der Deutschen Unesco-Kommission. Die Auszeichnung erfolgte bereits im März, konnte aber Corona-bedingt nicht entsprechend gewürdigt werden, hieß es. Am Freitag erhalten im Rahmen der Kampagne deutschlandweit 125 Friedhöfe entsprechende Banner und Plaketten. Am Sonntag beteiligen sich zahlreiche Friedhöfe am alljährlichen Tag des Friedhofs.

Die Aufnahme der Friedhofskultur in das bundesweite Kulturerbe-Verzeichnis wurde unter anderem mit dem einmaligen Umgang mit den Toten begründet: "Zum einen die Einbettung der Gräber in Parklandschaften, zum anderen die Gestaltung der Gräber als kleine Gärten der Erinnerung", heißt es auf der Homepage der Initiative Kulturerbe Friedhof. Die deutsche Auszeichnung ist eine Vorstufe auf dem Weg zu einem Antrag zur Anerkennung als Unesco-Weltkulturerbe.

Stäblein betonte: "Mit der Auszeichnung verknüpft sich die Hoffnung, dass noch mehr Menschen für die Bedeutung der Friedhofskultur sensibilisiert werden." Seit alters her stelle die Friedhofskultur eine Beziehung zwischen Diesseits und Ewigkeit her.

Der Dorotheenstädtische Friedhof gilt als Berlins bekanntester Friedhof. Er ist die letzte Ruhestätte vieler berühmter Persönlichkeiten, unter anderem von Georg Wilhelm Friedrich Hegel und Johann Gottlieb Fichte, Heinrich Mann, Bertolt Brecht, Helene Weigel, Anna Seghers, Karl Friedrich Schinkel, und Alt-Bundespräsident Johannes Rau. In der Trauerkapelle gibt es eine Lichtinstallation des US-Künstlers James Turrell.

Der katholische Erzbischof Heiner Koch sagte, die Auszeichnung als "Immaterielles Kulturerbe" bedeute keinen musealen Stillstand. Vielmehr zeige sie, "dass dieses Kulturerbe mitten im Leben steht und zutiefst sozial ist".

Der Geschäftsführer des Evangelischen Friedhofsverbandes Berlin Stadtmitte, Tillmann Wagner, zu dem der Dorotheenstädtische Friedhof gehört, sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), Friedhöfe seien als Orte der Besinnung wieder im Kommen. Als Problem bezeichnete Wagner die steigende Zahl an Urnenbeisetzungen. "Der enorme Flächenüberhang und die damit einhergehenden Grünpflegekosten lassen sich kaum refinanzieren." Durch neue Konzepte wolle sein Verband dem Trend anonymisierter Beisetzungen entgegenwirken.

Das Stichwort: Friedhofskultur

Berlin (epd). Die Friedhofskultur in Deutschland ist seit diesem Jahr "immaterielles Kulturerbe". Auf Empfehlung der Deutschen Unesco-Kommission beschloss die Kultusministerkonferenz im März dieses Jahres die Aufnahme in das bundesweite Kulturerbe-Verzeichnis.

Das immaterielle Erbe Friedhofskultur bezieht sich dabei "auf das, was Menschen auf dem Friedhof tun - trauern, erinnern und gedenken" sowie auf das Gestalten, Pflegen und Bewahren. Es sind also nicht die Friedhöfe selbst, die zum Unesco-Welterbe ernannt wurden, das wäre quasi materielles Erbe.

Das weltweit einmalige in Deutschland beim Umgang mit den Toten sei "zum einen die Einbettung der Gräber in Parklandschaften, zum anderen die Gestaltung der Gräber als kleine Gärten der Erinnerung", heißt es weiter auf der Homepage der Initiative Kulturerbe Friedhof. Nirgendwo sonst würden "gärtnerische und steinerne Elemente zu so individuellen Grabanlagen" verbunden.

Als Risikofaktoren für den Erhalt der gewachsenen Friedhofskultur nennt die Initiative etwa die Zunahme von sogenannten Naturbestattungen außerhalb von Friedhöfen sowie die "Abkehr von tradierten Trauerritualen". Mangelnde Wertschätzung der Friedhofskultur in Teilen der Gesellschaft habe bereits zur Schließung vieler Friedhöfe geführt. Kritik gibt es auch an einer zunehmenden Fokussierung "auf Pragmatismus und Kosteneffizienz beim Umgang mit den Toten statt auf menschliche und kulturelle Werte".

Der Antrag zur Ernennung der Friedhofskultur zum immateriellen Erbe wurde von mehreren Friedhofsverbänden gestellt, darunter Friedhofsverwalter, Bestatter, Friedhofsgärtner und Grabmalhersteller.

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