28.01.2019
Gedenken an Opfer des Nationalsozialismus | EKD ruft zu lebendiger Erinnerungskultur auf
Berlin (epd). Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) haben sich zum Holocaust-Gedenktag für neue Wege im Umgang mit der deutschen Geschichte ausgesprochen. Merkel betonte, dass es künftig vor allem darauf ankommen werde "Gedenken neu zu gestalten", weil es immer weniger Zeitzeugen gebe.
Verschiedene Formen des Gedenkens, wie die Förderung von Gedenkstätten, aber auch private Initiativen, wie die sogenannten Stolpersteine, würden "in Zukunft an Bedeutung gewinnen", sagte die Bundeskanzlerin in ihrem am Samstag veröffentlichten Video-Podcast.
Merkel forderte zu einem entschiedenen Vorgehen gegen Antisemitismus und menschenfeindliche Hetze auf. Jeder Einzelne in der Gesellschaft habe die Aufgabe, "null Toleranz gegen Antisemitismus, Menschenfeindlichkeit, Hass und Rassenwahn" zu zeigen.
Maas schrieb in einem Gastbeitrag für die "Welt am Sonntag": "Unsere Erinnerungskultur bröckelt, sie steht unter Druck von extremen Rechten." Für junge Menschen sei die Pogromnacht sehr weit entfernt. "Das verändert das Gedenken, schafft mehr Distanz", so Maas. Nötig seien neue Ansätze, um historische Erfahrungen für die Gegenwart zu nutzen. "Unsere Geschichte muss von einem Erinnerungs- noch stärker zu einem Erkenntnisprojekt werden", schrieb der Außenminister.
Auch der Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD) rief dazu auf, die Erinnerung an das nationalsozialistische Unrecht wachzuhalten. Dazu gehöre auch eine Gedenkstunde im Bundestag für die homosexuellen NS-Opfer, erklärte der Verband am Sonntag in Berlin. Der Bundestag soll nach dem Willen einer Initiative beim offiziellen Holocaust-Gedenken am 27. Januar 2021 besonders an homosexuelle NS-Opfer erinnern. Das fordert ein Bündnis aus Homosexuellenaktivisten, Historikern, Vertretern von Holocaustüberlebenden und anderen Gruppen. Der LSVD hatte für Sonntag zu einem stillen Gedenken am Berliner Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen eingeladen.
Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) rief anlässlich des Holocaust-Gedenktages ebenfalls zu einer lebendigen Erinnerungskultur auf. "Wir dürfen nicht vergessen, was damals in unserem Land Menschen anderen Menschen angetan haben", erklärte der Ratsvorsitzende der EKD, Heinrich Bedford-Strohm, am Samstag in Hannover.
Bei einem Gedenken am zentralen Sinti- und Roma-Mahnmal gegenüber des Berliner Reichstagsgebäudes erinnerten Vertreter aus Politik und Gesellschaft an die rund 500.000 von den Nationalsozialisten ermordeten Sinti und Roma. Berlins Kultursenator Klaus Lederer (Linke) und der für Europa zuständige Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth (SPD), kritisierten die andauernde Diskriminierung der ethnischen Minderheit in Deutschland und Europa und das geringe Wissen in der breiten Bevölkerung über den Völkermord.
Sachsen Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) rief bei einer Gedenkstunde im Sächsischen Landtag in Dresden zur Wachsamkeit und Verteidigung der demokratischen Werte an jedem Tag auf. "Auch heute sind wir alle gefragt, laut und konsequent zu widersprechen, wenn wir Hass und Hetze, Rassismus, Antisemitismus begegnen - in unserem Umfeld, auf der Straße oder in den sozialen Medien", sagte Kretschmer.
Bei einer Gedenkfeier in der KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen wurde die neue Ausstellung "Im Reich der Nummern. Wo die Männer keine Namen haben" über die Geschichte von Haft und Exil der Novemberpogrom-Gefangenen im KZ Sachsenhausen eröffnet. Im Mittelpunkt stehen zwölf Schicksale von Häftlingen.
Der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, sprach im Deutschlandfunk von Angriffen auf die Erinnerungskultur durch die AfD. Wenn Thüringens AfD-Partei- und Fraktionschef Björn Höcke eine "erinnerungspolitische Wende um 180 Grad" fordere, löse das einen sogenannten Schuldabwehrmechanismus aus und eine Schlussstrichmentalität, die an den Grundfesten der Demokratie rüttle, sagte Klein. Die AfD vertrete "viele antisemitische Positionen".
Der Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust am 27. Januar erinnert an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz durch Soldaten der Roten Armee im Jahr 1945. Er wird seit 1996 in Deutschland und seit 2005 international als Gedenktag begangen.
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