03.05.2019
Historiker für Auseinandersetzung mit "Entjudungsinstitut"
Weimar/Eisenach (epd). Für eine anhaltende Aufarbeitung der Geschichte des Eisenacher "Entjudungsinstitut" hat sich der wissenschaftliche Leiter und Kurator der Stiftung Lutherhaus der Wartburgstadt, Jochen Birkenmeier, ausgesprochen. Die Auseinandersetzung mit diesem dunklen Kapitel der Kirchengeschichte scheine nötiger denn je, schreibt der Historiker in einem Gastbeitrag für die in Weimar erscheinende mitteldeutsche Kirchenzeitung "Glaube und Heimat" (Ausgabe vom 5. Mai).
"In einer Zeit, in der Antisemitismus und Verschwörungstheorien, völkisches Denken und nationalistische Mythen wieder auf dem Vormarsch sind, muss mit aller Deutlichkeit daran erinnert werden, in welche Abgründe derartige Gedanken führen und welche gesellschaftliche Verantwortung die Kirche trägt", erklärte Birkenmeier.
Die Geschichte der "Deutschen Christen" und des sogenannten "Entjudungsinstituts" belegten auf erschütternde Weise, dass auch Christen nicht vor den Einflüssen hasserfüllter Weltanschauungen gefeit seien. Nach Ansicht des Historikers verdunkelten die langen Schatten des Instituts das Leben vieler Menschen bis heute. Besonders schwierig sei es für Angehörige, Schüler, Kollegen und Freunde ehemaliger Mitarbeiter des "Entjudungsinstituts". Viele würden bis heute damit ringen, "die guten Erinnerungen an beruflich verdienstvolle und persönlich geschätzte Menschen mit dem Wissen um die niederträchtige Hasspropaganda des Instituts und seine Verfälschung des christlichen Glaubens gedanklich zusammenzubringen", wisse er aus vielen Gesprächen. In diesem Jahr biete sich die Chance, darüber miteinander ins Gespräch zu kommen.
Das Eisenacher "Entjudungsinstitut" war am 4. April 1939 auf Betreiben führender "Deutscher Christen" gegründet worden. Die Gründungsfeier fand am 6. Mai auf der Wartburg statt. Es ging dem Institut unter anderem um eine Abwertung des Alten Testaments und die Tilgung sämtlicher jüdischer Spuren im Neuen Testament. So brachte der Arbeitskreis "Volkstestament" 1941 ein "entjudetes" Neues Testament unter dem Titel "Die Botschaft Gottes" heraus.
Die Nachfolgerinnen der damals beteiligten Landeskirchen wollen 80 Jahre später, am 6. Mai 2019, ein Mahnmal in der Eisenacher Bornstraße enthüllen: Es soll nicht nur an das Wirken des "Entjudungsinstituts" und den Irrweg der Kirche während der NS-Zeit erinnern, sondern auch die Opfer von kirchlichem Judenhass dauerhaft würdigen. Im September dieses Jahres wird zudem eine Ausstellung zum "Entjudungsinstitut" im Lutherhaus Eisenach eröffnet. Die Aufarbeitung soll auch bei einer wissenschaftlichen Tagung auf der Wartburg und bei jüdisch-christlichen Begegnungstagen thematisiert werden.
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