12.06.2024
Historiker: Magdeburg war zur Reformation "Berlin des Mittelalters"

Magdeburg (epd). Der Historiker und Religionswissenschaftler Christoph Volkmar sieht die Reformation in Magdeburg um 1524 als Musterbeispiel für bürgerschaftliches Engagement auch in der heutigen Zeit.

„Wenn wir uns heute fragen, wie durch Partizipation die Lösung unserer gesellschaftlichen Probleme aus den Diskursen innerhalb der Bürgerschaft erfolgen könnte, ist Magdeburg 1524 dafür eine Blaupause“, sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd): „Ich kenne keine frühe Reformation, die derart aus einer breiten gesellschaftlichen Mitte getragen war wie in Magdeburg.“

Man habe in der Stadt eine wirkliche Gemeindereformation erlebt, die sich aus der Mitte der Bürgerschaft entwickelt habe. Die Bürger hätten damals gewissermaßen den Rat der Stadt überstimmt, sodass die Ratsherren in allen großen Pfarrkirchen der Stadt Bürgerversammlungen genehmigt haben.

Volkmar ist erster Vorsitzender der Historischen Kommission für Sachsen-Anhalt, Direktor des Magdeburger Stadtarchivs und zudem als Privatdozent für Neuere Geschichte und vergleichende Landesgeschichte an der Universität Leipzig tätig. Er ist Mitorganisator der internationalen Tagung „Großstadt und Reformation. Metropolen als Innovationsräume“, die vom 26. bis 28. Juni in Magdeburg stattfindet. Anlass ist das 500-jährige Jubiläum der Predigt des Reformators Martin Luther (1483-1546) in der dortigen Johanniskirche, die entscheidend zur Ausbreitung der Reformation beitrug. Die Stadt sowie die evangelische Kirche würdigen dieses Jubiläum mit einem Festjahr.

Magdeburg sei zur Zeit der Reformation „das Berlin des Mittelalters“ und eine europäische Metropole gewesen, sagte Volkmar. Dass Luther gerade hier gepredigt habe, sei daher auch eine strategische Entscheidung gewesen: „Wenn die Reformation sich hier durchsetzen würde, dann wäre das ein ganz entscheidender Schritt, wird sich Luther gedacht haben.“

Volkmar bezeichnete die Epoche der Reformation als eine der Glanzzeiten Magdeburgs. Sie sei bis heute ein ganz wichtiger Anknüpfungspunkt für die Identität der Stadt. Das liege wohl auch daran, dass sich aufgrund der verheerenden Zerstörungen im Dreißigjährigen Krieg und im Zweiten Weltkrieg nur wenige Zeugnisse aus dieser Zeit im Stadtbild erhalten hätten. Dennoch gebe es bei vielen Menschen in der Stadt das Bedürfnis, sich damit auseinanderzusetzen. „Ich selbst bin angenehm berührt, wie intensiv dieses Jubiläum in der Stadtgesellschaft gespielt wird“, sagte der Historiker. Die Stimmung in der Stadt sei jetzt wieder zukunftsoptimistisch.

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