23.01.2019
Hoff ab sofort auch Antisemitismus-Beauftragter in Thüringen | Umfrage: Antisemitismus bleibt Problem in Europa

Erfurt (epd). Die rot-rot-grüne Landesregierung hat den Minister für Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei, Benjamin-Immanuel Hoff (Linke), zum Beauftragten für jüdisches Leben in Thüringen und die Bekämpfung des Antisemitismus berufen. Er werde in seiner zusätzlichen Funktion künftig die Aktivitäten der Landesregierung zur Unterstützung jüdischen Lebens in Thüringen koordinieren, sagte Vize-Regierungssprecherin Marion Wermann nach einer Kabinettssitzung am Dienstag in Erfurt.

Zu seinen Aufgaben zähle auch, das Vorgehen des Landes gegen Antisemitismus und Rassismus zwischen den Ministerien abzustimmen. Mit der Berufung Hoffs wolle Rot-Rot-Grün zudem über das Gewähren des spezifischen Schutzanliegens hinaus auch ein Zeichen "gegen die Verrohung des Umgangs miteinander innerhalb der Gesellschaft setzen", so Wermann.

Der Entscheidung, einen Antisemitismus-Beauftragten einzusetzen, sei ein intensiver Erörterungsprozess vorausgegangen. Wermann verwies dabei auch auf eine Kabinettsitzung im November 2018, an der neben dem Beauftragten der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus, Felix Klein, auch der Vorsitzende der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen, Reinhard Schramm, und die Chefs der Stiftungen Ettersberg, Jörg Ganzenmüller, und Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Volkhard Knigge, als Gäste teilgenommen hatten.

Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) hatte zunächst die Einführung eines Landesbeauftragten abgelehnt. Er begründete seine Sicht damit, dass sich die Landesregierung bereits seit Jahren in besonderer Weise für die Bekämpfung des Antisemitismus - etwa auf Basis der Erhebungen des Thüringen-Monitors und mit vielfältigen Festlegungen im Koalitionsvertrag in fast allen Ressortbereichen - engagiere.

Umfrage: Antisemitismus bleibt Problem in Europa

Brüssel (epd). Antisemitismus ist in den Augen jedes zweiten EU-Bürgers ein Problem in seinem Land. In Deutschland halten sogar zwei Drittel der Menschen Antisemitismus für ein Problem hierzulande, wie aus einer am Dienstag von der EU-Kommission in Brüssel veröffentlichten Umfrage hervorgeht. 43 Prozent hielten Antisemitismus europaweit und 29 Prozent in Deutschland nicht für ein Problem.

In Schweden hielten im EU-Vergleich die meisten Menschen Antisemitismus für ein Problem bei sich, nämlich 81 Prozent. Am wenigsten waren es der Umfrage zufolge mit sechs Prozent in Estland. Das Bewusstsein schärfen offenbar auch persönliche Beziehungen. 64 Prozent der Befragten mit jüdischen Bekannten und Freunden, aber auch 59 Prozent derer mit muslimischen Bekannten und Freunden, sahen demnach Antisemitismus als Problem in ihrem Land an.

Nach Meinung der Mehrheit hat Antisemitismus in den vergangenen fünf Jahren im jeweiligen Land nicht zugenommen. 39 Prozent gingen im Schnitt von einem Gleichbleiben aus, zehn Prozent von einer Abnahme und 36 von einer Zunahme. In Deutschland hielten hingegen 61 Prozent der Befragten Antisemitismus für schlimmer als fünf Jahre zuvor. Bei der Umfrage in den 28 EU-Staaten wurden im Dezember 2018 rund 27.500 Menschen befragt, etwa 1.500 davon in Deutschland.

Gefragt wurde auch nach den Ausprägungen und Orten von Antisemitismus. Rund die Hälfte der EU-Bürger gab an, physische Angriffe, Leugnung des Holocaust, Feindseligkeit und Drohungen in der Öffentlichkeit, Graffiti oder Vandalismus an jüdischen Einrichtungen, die Schändung von Friedhöfen und Antisemitismus im Internet seien ein Problem in ihrem Land. Jeweils gut 40 Prozent machten Antisemitismus an Schulen und Hochschulen, in den Medien und im politischen Leben in ihrem Land aus.

Über jüdisches Leben und die Geschichte der Juden sind die EU-Einwohner nach Meinung der meisten Befragten nicht gut informiert. 68 Prozent antworteten, dass ihrer Meinung nach ihre Mitbürger hierüber nicht gut Bescheid wüssten. In Deutschland antworteten sogar 74 Prozent in diesem Sinne. EU-weit meinten zudem 54 Prozent der Befragten, dass Konflikte im Mittleren Osten einen Einfluss auf die Wahrnehmung von Juden hierzulande hätten, 35 Prozent glaubten dies nicht.

In einer im Dezember veröffentlichten Umfrage der EU-Grundrechteagentur hatten sich vor kurzem Juden selbst über den Antisemitismus geäußert. Dabei sahen neun von zehn Befragten den Antisemitismus in Europa wieder im Ansteigen begriffen, wie die EU-Kommission am Dienstag erklärte. Es gebe also einen deutlichen Unterschied in der Wahrnehmung des Problems, urteilte die Kommission. Justizkommissarin Vera Jourova erklärte, Europa müsse wachsam sein. Sie selbst und die EU-Kommission seien entschlossen, "eine Zukunft für das jüdische Volk auf diesem Kontinent sicherzustellen - um des jüdischen Volkes und um Europas willen", betonte Jourova kurz vor dem Internationalen Holocaust-Gedenktag am 27. Januar.

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