15.03.2021
Josef Schuster spricht zum Wissen über das Judentum heute
Erfurt (epd). Am Dienstag wird der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, in der Landsynagoge im südthüringischen Berkach erwartet.
Sein Vortrag "Ist Pessach das jüdische Ostern? Vom Wissen und Unwissen über das Judentum im 21. Jahrhundert" sei einer der Höhepunkte des Themenjahres "Neun Jahrhunderte jüdisches Leben in Thüringen", sagte die Koordinatorin des Projekts "Tora ist Leben", Alexandra Husemeyer dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Erfurt. Unter Corona-Bedingungen könnten nur wenige geladene Gäste in den kleinen Ort an der Grenze zu Bayern kommen. Der Vortrag werde aber live im Internet übertragen.
Hinter dem Projekt "Tora ist Leben" stehen die beiden großen christlichen Kirchen und die Jüdische Landesgemeinde. Ziel des Projektes ist es, das Schreiben der neuen Torarolle - einem Geschenk der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) und des Bistums Erfurt an die Thüringer Juden - öffentlich zu machen. Auch in Birkach sollte ursprünglich die Möglichkeit bestehen, dem Schreiber Reuven Jaacobov bei seiner Arbeit zuzusehen. Pandemiebedingt musste das Husemeyer zufolge abgesagt werden.
Das kleine Dorf Berkach stellt einen wichtigen Gedächtnisort für jüdische Kultur dar. Hier sind noch immer bedeutsame Stätten jüdischer Spiritualität auf engstem Raum zu finden: ein jüdischer Friedhof, eine Mikwe - ein Ritualbad -, die Synagoge und die jüdische Schule. "Das ganze Ensemble ist einzigartig für Thüringen", erklärte Husemeyer.
Seit dem 17. Jahrhundert habe es ein zumeist friedliches Zusammenleben und Zusammenarbeiten im Dorf gegeben. Ende des 19. Jahrhunderts hätte sich ein Drittel der Bevölkerung zum jüdischen Glauben bekannt. Aber auch in Berkach habe es Zeiten von Ablehnung bis hin zu Pogromen gegeben, erläuterte sie. 1939 sei die jüdische Gemeinde von der nationalsozialistischen Verwaltung zum Verkauf gezwungen, die Synagoge geschändet und bis zum Ende der DDR als Lagerraum genutzt worden.
Nach der friedlichen Revolution konnte sie durch ehrenamtliche Anstrengungen restauriert werden, sagte die Projektkoordinatorin. Mit dem Besuch von Josef Schuster soll an die jüdische Vergangenheit Berkachs erinnert werden. Aber es gehe nicht nur darum zurückschauen. "Ein Jugendbegegnungszentrum, das zeigt, wie lebendig jüdische Kultur ist, soll entstehen", blickte die Projektkoordinatorin voraus. Die Schaffung eines Raumes, in dem sich atheistische, muslimische, christliche und jüdische Menschen ohne Vorbehalte begegnen könnten, sei auch das erklärte Ziel der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen.
"Das ganze Ensemble ist einzigartig für Thüringen"
Drei Fragen an Alexandra Husemeyer vom Projekt "Tora ist Leben"
epd-Gespräch: Dirk Löhr
Erfurt (epd). Am Dienstag kommt der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, zu einem Vortrag in die Landsynagoge im südthüringischen Berkach. Dort lebten über Jahrhunderte Juden mit ihren christlichen Nachbarn zumeist friedlich, sagte die Koordinatorin des Projekts "Tora ist Leben" der beiden großen Kirchen dem Evangelischen Pressedienst (epd). Der kleine Ort an der Grenze zu Bayern erlebte aber auch Zeiten der Ablehnung bis hin zu Pogromen.
epd: Was macht die Landsynagoge in Berkach an der thüringisch-bayerischen Grenze so bedeutsam für das deutsch-jüdische Zusammenleben?
Husemeyer: Zunächst, ich finde die Formulierung deutsch-jüdisch nicht ganz so glücklich. Die Juden, die hier in Thüringen oder in Berlin oder Frankfurt lebten und leben, waren und sind ja schließlich auch Deutsche. Das kleine Dorf Berkach mit seinen weniger als 400 Einwohnern ist ein wichtiger Gedächtnisort für jüdische Kultur. Hier sind noch immer bedeutsame Stätten jüdischer Spiritualität auf engstem Raum zu finden: ein jüdischer Friedhof, eine Mikwe - ein Ritualbad -, die Synagoge und die jüdische Schule haben die Zeiten überdauert. Nicht zuletzt, weil sie in der DDR zu Lagerräumen umfunktioniert wurden. Nach ihrer liebevollen Sanierung stehen sie wieder für Besichtigungen offen.
Das ganze Ensemble ist einzigartig für Thüringen. Seit dem 17. Jahrhundert gab es ein zumeist friedliches Zusammenleben und Zusammenarbeiten in diesem Dorf, in dem Ende des 19. Jahrhunderts ein Drittel der Bevölkerung jüdischen Glaubens war. Daran, aber auch an die Zeiten von Ablehnung bis hin zu Pogromen, soll mit dem Besuch von Josef Schuster erinnert werden. Aber in Berkach wollen wir nicht nur zurückschauen. Ein Jugendbegegnungszentrum, das zeigt, wie lebendig jüdische Kultur ist, soll entstehen. Jugendliche werden zum Entdecken des jüdischen Glaubens eingeladen. Die Schaffung eines Raumes, in dem sich atheistische, muslimische, christliche und jüdische Menschen ohne Vorbehalte begegnen können, ist auch das erklärte Ziel der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen.
epd: Der Abend in der Synagoge sollte einer der Höhepunkte des Themenjahres "Neun Jahrhunderte jüdisches Leben in Thüringen" werden. Was ist unter Corona-Bedingungen überhaupt noch möglich?
Husemeyer: Unter Corona-Bedingungen ist am Dienstag leider keine Präsenzveranstaltung möglich. Das Projekt "Tora ist Leben" ist sehr dankbar, dass durch ein Hygiene- und Sicherheitskonzept eine Hybridveranstaltung möglich ist. In der Synagoge dürfen 25 Personen teilnehmen. Wir erwarten neben Josef Schuster auch den Thüringer Kulturminister Benjamin-Immanuel Hoff (Linke) und die beiden Bischöfe Friedrich Kramer von der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) und Ulrich Neymeyr vom Bistum Erfurt. Alle, die nicht in Berkach dabei sein können, sind herzlich dazu eingeladen, Schusters Vortrag "Ist Pessach das jüdische Ostern? Vom Wissen und Unwissen über das Judentum im 21. Jahrhundert" live mit dem Smartphone oder am Computer zu verfolgen.
epd: Die beiden großen christlichen Kirchen schenken der Jüdischen Landesgemeinde im Themenjahr "Neun Jahrhunderte jüdisches Leben in Thüringen" eine neue Tora-Rolle. Wie kommt die Handschrift des Textes voran?
Husemeyer: Gut. Toraschreiber Reuven Jaacobov, der in Berlin Buchstaben für Buchstaben - am Ende sind es exakt 304.805 - auf Pergament schreibt, hat versichert, dass er am Donnerstag, den 30. September 2021, pünktlich mit der neuen Tora nach Erfurt kommen wird. Dann findet ein Freudenfest zur Begrüßung der Schrift statt. Am Nachmittag laden die Projektpartner Jüdische Landesgemeinde Thüringen, Bistum Erfurt und Evangelische Kirche in Mitteldeutschland zum Feiern auf dem Wenigemarkt der Landeshauptstadt ein. Ein Festzug wird die wertvolle Schriftrolle dann in die Neue Synagoge einmal quer durch Erfurt geleiten. Leider mussten die Termine für das öffentliche Schreiben der Tora in Thüringen coronabedingt abgesagt werden. Wenn es die Bedingungen zulassen, kommt Rabbiner Yaacobov aber ab Ende Mai unter anderem in die Synagogen in Erfurt und Mühlhausen sowie in die Gedenkstätte ehemalige Synagoge Eisenach und lässt sich beim Schreiben - wie beim Auftakt im Oktober 2019 in der Neuen Synagoge in Erfurt - über die Schulter schauen. Das wäre wirklich schön.
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Die Veranstaltung in der Synagoge von Berkach wird am 16. März ab 18.50 Uhr live übertragen:
Youtube: https://youtu.be/JCRXsxYYjFc
Facebook: https://fb.me/e/664f2f7sQ
Mehr Informationen zum Themenjahr finden Sie hier: https://www.ekmd.de/aktuell/neun-jahrhunderte-juedisches-leben-in-thueringen/