25.09.2020
Jüdisches Leben in Thüringen | Judentum im Freistaat wird mit Themenjahr gewürdigt
Erfurt (epd). Für das Thüringer Themenjahr "Neun Jahrhunderte jüdisches Leben" werden aktuell mehr als 100 Veranstaltungen vorbereitet.
Anders als beim Bauhaus oder der Industriekultur sollen sich die vielfältigen Angebote aber nicht vorrangig mit der Historie beschäftigen, sagte Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) am Donnerstag in der Kleinen Synagoge der Landeshauptstadt. Es gehe zwar auch darum, die Wurzeln des Judentums zwischen Sonneberg und Nordhausen freizulegen. Es sollen aber auch die reichen Blüten des jüdischen Lebens heute präsentiert werden.
Beispielhaft für diese Gegenwart stünden die drei Thüringer jüdischen Festivals, die sich zum Teil bereits seit fast drei Jahrzehnten für die interreligiöse Verständigung aber auch für die Wissensvermittlung des Staates Israel einsetzten. Das ganze Jahr sei als Prozess zu verstehen. Ständig kämen neue Vorhaben dazu, betonte der Ministerpräsident.
Er verwies auf die - nicht nur im übertragenen Sinne - herausragenden Schätze jüdischen Lebens, die im ganzen Land zu finden seien. Dazu zählte er vor allem die Alte Erfurter Synagoge - das älteste in Mitteleuropa bis zum Dach erhaltene jüdische Gotteshaus - mit ihrem prächtigen Goldschatz, die direkt an der Krämerbrücke gelegene Mikwe, einem Bad zur rituellen Reinigung, oder die Kleine Synagoge auf der anderen Seite des Flusses. Nicht vergessen werden dürfe zudem die Synagoge am Ententeich, der einzige derartige Neubau zu DDR-Zeiten.
Zudem entstehe auf dem Gebiet des Waldklinikums im ostthüringischen Eisenberg aktuell nicht nur die neueste Synagoge Europas. Dort soll nach der Fertigstellung auch koscher gekocht werden, kündigte Ramelow an. Bisher müssten für diese Aufgabe Caterer von außerhalb Thüringen bemüht werden, fügte er hinzu.
Er sei den beiden Kirchen, die das Themenjahr initiiert hätten, sehr dankbar, sagte der Vorsitzende der Jüdischen Landesgemeinde, Reinhard Schramm. Dass Thüringens Christen der Erfurter Synagoge eine neue Tora-Rolle schenkten, "geht uns allen sehr nah", erklärte er. Er freue sich, dass die Entstehung der Tora, die vollständig von Hand geschrieben werden muss, in vielen christlichen Gemeinden im Rahmen einer Tournee begleitet werden könne.
Bei allem nötigen Erinnern an die Schrecken der Vergangenheit soll das Themenjahr zeigen, welche großen Beiträge Juden für die Geschichte ihrer Städte und Dörfer geleistet hätten, unterstrichen Ramelow und Schramm. Es ginge darum, die vielen Wissenslücken zu schließen. Das sei zugleich die beste Möglichkeit, Antisemitismus entgegenzutreten. Viele Projekte der nächsten Monate - wie etwa ein Kinder-Stadtführer zu den Spuren jüdischen Lebens in Erfurt - richteten sich deshalb auch an direkt an Schüler.
Pünktlich zu Beginn des Themenjahres stellte die Tourismus Gesellschaft des Landes die neue Imagebroschüre "Jüdische Kultur in Geschichte in Thüringen" vor. Darin wird zum Beispiel auch das vollständig erhaltene und inzwischen restaurierte jüdische Ensemble aus Mikwe, Schule und Synagoge in Berkach, einem Dorf im Landkreis Schmalkalden-Meinigen, vorgestellt. 34 jüdische Gemeinden habe es in Thüringen - gerade entlang der alten Königsstraße "Via Regia" - gegeben, erinnerte Schramm. Inzwischen seien es - wieder - drei.
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