21.10.2023
Kirchenpräsident: Synagogen-Neubau wichtiges Zeichen

Dessau-Roßlau (epd). Der anhaltische Kirchenpräsident Joachim Liebig sieht die Eröffnung des Synagogen-Neubaus in Dessau-Roßlau als wichtiges Zeichen an.

„Jüdisches Leben hat wieder einen festen Platz in Deutschland“, sagte Liebig am Freitag in Dessau-Roßlau. „Mit unseren jüdischen Schwestern und Brüdern sind wir glücklich, dass 85 Jahre nach der barbarischen Zerstörung des letzten jüdischen Gotteshauses in Dessau durch das NS-Regime eine neue Synagoge mit Gemeindezentrum entstehen konnte“, betonte der Leitende Geistliche der Evangelischen Landeskirche Anhalts.

Gleichzeitig seien erschütternde Angriffe auf jüdische Menschen und Einrichtungen zu erleben, unterstrich der Kirchenpräsident. Antisemitismus drohe wieder hoffähig zu werden.

Dabei ging Liebig auch auf die Verantwortung der Evangelischen Kirche ein. Auch in Anhalt habe sie in der NS-Zeit große Schuld gegenüber Menschen jüdischen Glaubens auf sich geladen: „Als Christinnen und Christen stehen wir heute in der Verantwortung, jeder Form von Antisemitismus entgegenzutreten, die Erinnerung an jüdisches Leben in Anhalt wach zu halten und lebendiges Gemeindeleben zu unterstützen.“

Die neue Dessauer Synagoge wird am Sonntag im Beisein von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) sowie dem israelischen Botschafter Ron Prosor eröffnet. Laut Liebig ist der Bau von mehreren christlichen Konfessionen unterstützt worden, etwa durch eine jährliche Sonderkollekte in den evangelischen Gemeinden. Zudem setze sich die anhaltische Landeskirche für den christlich-jüdischen Dialog ein.

Eine neue Synagoge für Dessau

Von Oliver Gierens (epd)

Dessau-Roßlau (epd). Dessau-Roßlau ist berühmt als Stadt des Bauhauses, der legendären Architekturschule der klassischen Moderne. Doch auch ein ganz anderes Gebäude prägte einst das Bild der Stadt - wenn auch nur für 30 Jahre. 1908 erhielt die jüdische Gemeinde nach mehreren kleineren Vorgängerbauten endlich ein repräsentatives Gotteshaus.

Nur drei Jahrzehnte später, in der Reichspogromnacht am 9. November 1938, fiel es dem Terror der Nationalsozialisten zum Opfer. Am kommenden Sonntag wird diese Wunde wieder geheilt. Im Beisein von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) und dem Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, wird die neue Synagoge vier Jahre nach der Grundsteinlegung eröffnet. Es ist der erste Synagogen-Neubau in Sachsen-Anhalt seit der Wiedervereinigung und einer der ersten in Ostdeutschland.

Bis dahin war es für die jüdische Gemeinde ein weiter Weg mit einigen Verzögerungen und steigenden Baukosten. Etwa 4,8 Millionen Euro wird der Neubau wohl am Ende kosten, nur 1,7 Millionen Euro waren bei Baubeginn vorgesehen. 90 Plätze wird die Synagoge haben, 60 für Männer und 30 für Frauen.

Insgesamt 260 Mitglieder zählt die Dessauer Gemeinde derzeit, sagte Verwaltungsleiter Aron Russ dem Evangelischen Pressedienst (epd). Dabei habe die Gemeinde zuletzt durch den Zustrom von Ukrainern jüdischen Glaubens einen leichten Aufschwung genommen. Nachdem die Mitgliederzahl in den vergangenen Jahren vorwiegend aus demografischen Gründen leicht gesunken sei, habe man jetzt 16 Personen neu aufnehmen können.

Bisher trafen sich die Gläubigen im benachbarten, denkmalgeschützten Rabbinerhaus, das auch als Kantorhaus bezeichnet wird. Das zusammen mit der alten Synagoge errichtete Gebäude hat ebenfalls eine besondere Geschichte: Hier wuchs der bekannte Komponist Kurt Weill (1900-1950) auf, dessen Vater Albert von 1898 bis 1920 als Kantor der damals rund 600 Mitglieder starken Gemeinde tätig war. An diese Tradition will man anknüpfen: Das Gotteshaus wird den Namen Weill-Synagoge tragen.

18 Jahre nach Albert Weills Weggang hörte die Gemeinde für viele Jahre auf zu existieren. Die Nazis setzten im Novemberpogrom 1938 die Synagoge in Brand und plünderten sie. Nach dem Zweiten Weltkrieg lag Dessau in Trümmern, und für viele Jahre lebten fast gar keine Juden mehr in der Stadt, berichtet Aron Russ. Das änderte sich grundlegend erst nach dem Fall der Mauer 1989/90.

Anfang der 1990er Jahre zogen viele Kontingentflüchtlinge aus der früheren Sowjetunion nach Deutschland, unter ihnen viele Juden. Die jüdische Gemeinde erwachte zu neuem Leben, Ende 1994 wurde sie neu gegründet. Seit 1996 ist das ehemalige Kantorenhaus wieder Sitz der Gemeinde.

Doch ein repräsentatives Gotteshaus, wie es einst die alte Synagoge in der Steinstraße war, die - nur wenige Meter vom jetzigen Neubau entfernt - mit ihrem Davidstern auf der Kuppel weithin sichtbar war, fehlte der Gemeinde bisher. 2015 ließ die Kurt-Weill-Gesellschaft nach Angaben der Stadt Dessau-Roßlau eine erste Studie für einen Neubau in Auftrag geben. Jetzt, 85 Jahre nach der Zerstörung, steht fast an gleicher Stelle, nur 300 Meter vom Rathaus entfernt, ein moderner, barrierefreier Bau.

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