24.08.2020
Klein: Über Jahrestag von Anschlag in Halle nicht hinweggehen
epd-Gespräch: Corinna Buschow und Mey Dudin Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, wünscht sich für den ersten Jahrestag des antisemitischen Anschlags in Halle ein deutliches Zeichen gegen Judenhass.
"Nach Halle kann die tödliche Dimension von Antisemitismus von niemandem mehr verneint werden", sagte Klein in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) und ergänzte: "Über den Jahrestag dieses Anschlags kann man nicht hinweggehen." Klein zufolge gibt es derzeit Planungen in Halle selbst und mit der Landesregierung von Sachsen-Anhalt. Er sei dabei selbst eingebunden, sagte er, ohne zum jetzigen Zeitpunkt Details zu nennen.
Halle habe auch in besonders drastischer Weise gezeigt, dass jeder Opfer eines antisemitischen Anschlags werden könne, sagte Klein. "Die beiden Toten von Halle waren bekanntlich keine Juden", sagte der Beauftragte der Bundesregierung für jüdisches Leben und den Kampf gegen Antisemitismus. Bei dem Anschlag am 9. Oktober 2019 auf die Synagoge in Halle hatte der Täter auf der Straße und in einem Imbiss zwei Menschen erschossen, nachdem es ihm nicht gelungen war, in die Synagoge einzudringen. Das Attentat wurde am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur begangen.
Klein sagte, er wünsche sich vom Jahrestag neben dem Gedenken auch eine zweite Botschaft: "Dass es ein Wunder ist, nach 1945 wieder aufstrebendes jüdisches Leben in Deutschland zu haben, und dass es zur Vielfalt in Deutschland gehört."
Klein zufolge hat das Attentat in Halle auch das Bewusstsein der Polizei für jüdische Feiertage geschärft, "dass die Sicherheitsanforderungen an solchen Tagen andere sind". Nun müsse man aber auch dafür sorgen, dass Polizeibeamte, Staatsanwaltschaften und Gerichte Antisemitismus erkennen. "Zu häufig stufen Gerichte etwas als nicht antisemitisch ein, obwohl es das aus meiner Sicht ganz deutlich ist", sagte Klein.
Prozess gegen Halle-Attentäter wird fortgesetzt
Magdeburg (epd). Mit weiteren Zeugenvernehmungen wird am Dienstag nach mehrwöchiger Pause der Prozess gegen den Synagogen-Attentäter von Halle fortgesetzt. Geladen sind insgesamt sechs Zeugen und Sachverständige, wie das Oberlandesgericht Naumburg mitteilte. Im Mittelpunkt der Beweisaufnahme werde die Waffentechnik stehen. Einem kriminaltechnischen Gutachten zufolge, das am fünften Prozesstag vor rund drei Wochen verlesen wurde, gingen von allen selbstgebauten Waffen des Angeklagten "potenziell tödliche Gefahren" aus.
Der Prozess wird seit 21. Juli vor dem Oberlandesgericht Naumburg aus Platzgründen in Räumlichkeiten des Magdeburger Landgerichts geführt. Es gibt 45 Nebenkläger. Für Mittwoch sind weitere sechs Zeugen geladen. Dann soll das soziale Umfeld des Angeklagten beleuchtet werden, insbesondere seine Aktivitäten im Internet. Fortsetzungstermine für das Verfahren sind bis zum 18. November festgelegt.
Stephan B. hatte am 9. Oktober 2019 aus einer antisemitischen, rassistischen und fremdenfeindlichen Motivation heraus einen Anschlag auf die Synagoge in Halle verübt, zwei Menschen erschossen und weitere verletzt. Die Bundesanwaltschaft hat ihn wegen Mordes in zwei Fällen und versuchten Mordes in mehreren Fällen sowie weiteren Straftaten angeklagt. Mit Sprengsätzen und Schusswaffen wollte er in die abgeschlossene Synagoge gelangen, um möglichst viele Juden zu töten. Zum höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur hielten sich dort 52 Gläubige auf.
Dem Angeklagten droht bei einer Verurteilung eine lebenslange Freiheitsstrafe. Zudem kommt eine anschließende Sicherungsverwahrung in Betracht.
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