12.10.2023
Medienbischof Jung hält Kirchen-Sendeplätze weiterhin für zeitgemäß
Frankfurt a.M. (epd). Der evangelische Medienbischof Volker Jung sieht in den Kirchensendungen in Hörfunk und Fernsehen einen Beitrag für den Zusammenhalt der Gesellschaft.
Die Sendeplätze infrage zu stellen, rüttele an den Grundfesten des öffentlich-rechtlichen Selbstverständnisses, sagte der hessen-nassauische Kirchenpräsident, der im Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) für Medienthemen zuständig ist.
Es sei ein Missverständnis, die Verkündigungssendungen als „Werbung der Kirche für die eigene Sache“ zu betrachten. „Denn die Sache der Kirche ist nicht der institutionelle Selbsterhalt, sondern eine Botschaft, die darauf abzielt, Menschen in ihrem Leben zu stärken und die Gesellschaft zusammenzuhalten“, sagte Jung.
Seit den Anfangsjahren der Bundesrepublik haben die Kirchen Senderechte in öffentlich-rechtlichen Sendern, die ihnen später auch im privaten Hörfunk und Fernsehen eingeräumt wurden. Die Sendeplätze sind aus dem Grundgesetz abgeleitet und in Landesrundfunkgesetzen sowie Staatsverträgen festgehalten. Jüngst hatte der Redaktionsausschuss des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB) die Verkündigungsformate infrage gestellt. Es sei nicht nachvollziehbar, warum die Kirchen im RBB Programm machen dürfen, hieß es.
Jung sagte, er habe die Erklärung mit „deutlicher Sorge“ wahrgenommen. „Wenn man das weiterdenkt, rüttelt das an den Grundfesten des öffentlich-rechtlichen Selbstverständnisses. Auch die Mitwirkung relevanter gesellschaftlicher Gruppen in den Aufsichtsgremien stünde dann in letzter Konsequenz wohl infrage“, sagte der Theologe. Das Grundgefüge des öffentlich-rechtlichen Systems gehe davon aus, dass Gesellschaft abgebildet wird. „Dann sollte auch jenen Institutionen Raum gegeben werden, die dringend gebraucht werden, um unsere Gesellschaft zusammenzuhalten“, sagte Jung.
Nur zu einem geringen Teil lüden die Formate unmittelbar zu kirchlichen Angeboten ein. „Was ich in der Breite sehe - die Gottesdienste, das “Wort zum Sonntag„, die Morgenandachten im Rundfunk - zielt in der Regel auf Lebensbegleitung vieler“, argumentierte der Medienbischof.
Die Sendeplätze seien zeitgemäß, „weil die Kirchen nach wie vor eine bedeutende gesellschaftliche Kraft sind. Sie tragen zum Zusammenhalt der Gesellschaft bei. Und sie sind da für religiöse Bedürfnisse, die zum Leben gehören“.
Medienbischof Jung: Kirchen-Sendeplätze dienen dem Zusammenhalt
epd-Gespräch: Karsten Frerichs
Frankfurt a.M. (epd). Der evangelische Medienbischof Volker Jung warnt davor, die Kirchensendungen in Hörfunk und Fernsehen infrage zu stellen. Sie leisteten einen Beitrag für den Zusammenhalt der Gesellschaft, sagte der hessen-nassauische Kirchenpräsident, der im Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) für Medienthemen zuständig ist. Es sei ein Missverständnis, die Verkündigungssendungen als „Werbung der Kirche für die eigene Sache“ zu betrachten.
epd: Seit den Anfangsjahren der Bundesrepublik haben die Kirchen Senderechte in öffentlich-rechtlichen und später auch in privaten Rundfunksendern für Verkündigungsformate. Damals gehörten noch mehr als 90 Prozent der Menschen in Deutschland einer der beiden großen Kirchen an, heute sind es etwas weniger als die Hälfte. Sind diese Senderechte heute noch zeitgemäß?
Volker Jung: Sie sind zeitgemäß, weil die Kirchen nach wie vor eine bedeutende gesellschaftliche Kraft sind. Sie tragen zum Zusammenhalt der Gesellschaft bei. Und sie sind da für religiöse Bedürfnisse, die zum Leben gehören.
Besonders deutlich wurde das während der Corona-Pandemie. Da haben Sender auch noch einmal gezielt Gottesdienste angefragt, weil klar wurde, dass es Formate braucht, die Menschen helfen, in dieser Zeit Halt zu finden. Und das hat sich dann auch bei den Einschaltquoten gezeigt. Insofern passt das Senderecht der Kirchen zum Programmauftrag öffentlich-rechtlicher Sender.
epd: Eine Begründung hat sich aber mit der Digitalisierung erledigt: Allen stehen ausreichend Verbreitungswege zur Verfügung, um Menschen medial zu erreichen. Es gibt viele digitale Kanäle, die die Kirchen ja auch nutzen.
Jung: Das stimmt, die nutzen wir, aber wir brauchen beides. Bei einem Programmangebot für alle sollten alle relevanten Facetten einer Gesellschaft abgebildet werden. Da fügen sich die kirchlichen Sendungen gut ein und haben meines Erachtens eine bedeutende Kraft.
epd: Der Redaktionsausschuss des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB) sieht das anders. In einer Stellungnahme zu einem neuen Staatsvertrag heißt es unter dem Punkt „Einflussnahme auf das Programm“, es sei nicht nachvollziehbar, warum die Kirchen im RBB Programm machen dürfen. Wie haben Sie das wahrgenommen?
Jung: Mit deutlicher Sorge. Wenn man das weiterdenkt, rüttelt das an den Grundfesten des öffentlich-rechtlichen Selbstverständnisses. Auch die Mitwirkung relevanter gesellschaftlicher Gruppen in den Aufsichtsgremien stünde dann in letzter Konsequenz wohl infrage. Das Grundgefüge des öffentlich-rechtlichen Systems geht davon aus, dass Gesellschaft abgebildet wird. Dann sollte auch jenen Institutionen Raum gegeben werden, die dringend gebraucht werden, um unsere Gesellschaft zusammenzuhalten.
epd: Aber es gibt ja Berichterstattung über Kirchen und Religionsgemeinschaften, braucht es da die Verkündigung?
Jung: Berichterstattung ist das eine, aber Verkündigungsendungen haben einen eigenen Charakter. Sie werden oft als Werbung der Kirche für die eigene Sache angesehen, das ist ein Missverständnis. Denn die Sache der Kirche ist nicht der institutionelle Selbsterhalt, sondern eine Botschaft, die darauf abzielt, Menschen in ihrem Leben zu stärken und die Gesellschaft zusammenzuhalten.
epd: Aber ist es nicht staatliche Aufgabe, die Gesellschaft zusammenzuhalten?
Jung: Eben gerade nicht allein, der Staat kann einen Rahmen politisch gestalten. Wenn er aber selbst weltanschaulich orientierend auftreten würde, wäre es Indoktrination und eine Gefahr für die Demokratie. Der Staatsrechtler Ernst-Wolfgang Böckenförde hat es treffend in seinem vielzitierten Diktum beschrieben: „Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann.“
epd: Noch einmal zurück zum RBB. Nehmen Sie den Redaktionsausschuss als Einzelstimme wahr, oder wird Kirche in den Programmen auch von anderen infrage gestellt?
Jung: Momentan sehe ich das als Einzelstimme. In den Leitungs- und Aufsichtsgremien der Sender stehen die kirchlichen Senderechte meiner Wahrnehmung nach derzeit nicht infrage. Aber die Stellungnahme fügt sich ein in die grundsätzliche Debatte um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und dessen Finanzierung. Aus meiner Sicht hat sich der allgemeine Versorgungsauftrag sehr bewährt, er ist für den Erhalt der Demokratie außerordentlich wichtig.
epd: Stichwort Finanzierung: Die Sender tragen grundsätzlich die Produktionskosten für die kirchlichen Sendungen. Wenn sie sparen müssen, steht das natürlich zur Debatte.
Jung: Die Produktionskosten sind ja überschaubar, wenn sie die zum Beispiel vergleichen mit den Ausgaben der Sender für Sport-Übertragungsrechte. Aber trotzdem muss man natürlich über Einsparungen reden, dafür habe ich großes Verständnis.
epd: Können die Kirchen den Sendern da entgegenkommen?
Jung: Unsere Gestaltungsspielräume sind gering, auch die Kirchen stehen finanziell unter einem Riesendruck. Aber wir stellen uns da natürlich dem Gespräch, vor allem wenn es darum geht, auch neue Formate für die nichtlinearen Angebote zu entwickeln. Da muss man überlegen, wie wir das kirchlich mitfinanzieren, wenn wir präsent sein wollen.
epd: Senderechte stehen den Kirchen und der jüdischen Gemeinschaft als Körperschaften des öffentlichen Rechts zu, nicht aber den Muslimen, weil der Islam nicht als Körperschaft organisiert ist. Würden Sie sich eine Öffnung in Richtung eines Angebotes für die vielen Musliminnen und Muslime im Land wünschen?
Jung: Ähnlich wie beim Religionsunterricht geht es auch hier darum, wie eine Religionsgemeinschaft im Gegenüber zum Staat organisiert ist und wer inhaltliche Verantwortung übernimmt. Ob eine Verantwortungsübernahme auf muslimischer Seite gewünscht und wie diese organisiert werden kann, darüber muss politisch gesprochen werden. Ich halte das grundsätzlich für denkbar.
epd: Könnten nicht die Kirchen ihre Sendeplätze für andere Religionsgemeinschaften und Weltanschauungen öffnen?
Jung: Dann müsste man sehr genau überlegen, welche Plätze man hat, ob man diese erweitern oder ergänzen kann. Egal wie: Die Grundaufgabe der Kirche bleibt es, mit den Sendungen einen Beitrag zum Zusammenhalt der Gesellschaft und zum Erhalt der Demokratie zu leisten.
epd: Aber sind nicht manche Sendungen am Ende doch kirchenzentriert und auf hoch verbundene Mitglieder ausgerichtet?
Jung: Nur zu einem geringen Teil laden die Formate unmittelbar zu kirchlichen Angeboten ein. Was ich in der Breite sehe - die Gottesdienste, das „Wort zum Sonntag“, die Morgenandachten im Rundfunk - zielt in der Regel auf Lebensbegleitung vieler.
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