05.03.2020
Oberbürgermeister-Bündnis fordert Aufnahme von Flüchtlingskindern | Unicef mahnt Schutz von Kindern auf der Flucht an
Berlin (epd). Ein überparteiliches Bündnis von Oberbürgermeistern sieben deutscher Großstädte und dem niedersächsischen Innenminister Boris Pistorius (SPD) fordert von der Bundesregierung sofortige Schritte zur Aufnahme von Kindern aus griechischen Flüchtlingslagern.
Die Situation auf den griechischen Inseln habe sich in den vergangenen Tagen dramatisch zugespitzt, schreiben sie in einer gemeinsamen Erklärung, die dem "RedaktionsNetzwerk Deutschland" (Freitag) vorliegt. Die Erklärung solle am Freitag bundesweit veröffentlicht werden.
Unterzeichner des Appells seien neben Pistorius die Oberbürgermeister von Düsseldorf, Hannover, Frankfurt (Oder), Freiburg im Breisgau, Köln, Rottenburg am Neckar und Potsdam. "Insbesondere für Kinder und Frauen sind die völlig überfüllten Lager, in denen es an der nötigsten Infrastruktur, medizinischer Versorgung und Schutzräumen fehlt, unhaltbar", heiße es in der Erklärung. Die Bundesregierung müsse deshalb sofort handeln und es deutschen Städten ermöglichen, auf freiwilliger Basis vor allem unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aufzunehmen.
Potsdam (epd). Brandenburg hat sich für eine Aufnahme von Kindern und unbegleiteten Jugendlichen aus Flüchtlingslagern in Griechenland ausgesprochen.
"Die Situation auf Lesbos und im Bereich der EU-Außengrenze zwischen Griechenland und der Türkei ist katastrophal", sagte Regierungssprecher Florian Engels dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Mittwoch in Potsdam. Eine zusätzliche Aufnahme junger Flüchtlinge sei Ausdruck von Humanität und Solidarität.
Diese zusätzliche Aufnahme sei rechtlich jedoch nur mit Zustimmung des Bundesinnenministeriums möglich, betonte Engels: "Deshalb hat sich das Land Brandenburg bereits am 22. Januar an Bundesminister Seehofer gewandt." Das Land wolle, dass die Städte, die dazu bereit seien, helfen können. Brandenburg teile damit die Position anderer Bundesländer wie Niedersachsen, Hamburg, Bremen und Schleswig-Holstein.
Eine Entscheidung des Bundes stehe jedoch noch aus, betonte Engels: "Wir setzen uns dafür ein, dass diese kurzfristig fällt." Zugleich begrüße Brandenburg das Engagement von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) für eine europäische Gesamtlösung. Für die aktuelle Situation könne es insgesamt nur eine EU-weite Lösung geben. Diese sei dringend erforderlich. Es sei jedoch auch klar, dass die EU-Außengrenze geschützt werden müsse.
Die Landesregierung zolle der bundesweiten Initiative von Städten wie Potsdam, Frankfurt an der Oder und Teltow großen Respekt, zusätzlich Kinder und junge unbegleitete Geflüchtete aufnehmen zu wollen, betonte Engels.
Flüchtlingsaufnahme: 48 Unionsabgeordnete geben Erklärung ab
Berlin (epd). Bei der Abstimmung über einen Antrag der Grünen zur Aufnahme minderjähriger Flüchtlinge aus Griechenland hat sich am Mittwochabend rund ein Fünftel der Abgeordneten der Fraktion von CDU und CSU im Bundestag hinter einer persönlichen Erklärung mit einem humanitären Appell versammelt. "Die dramatische Lage gerade in den griechischen Hotspots lassen uns und können uns alle nicht unberührt lassen", heißt es in der im Parlament in Berlin schriftlich abgegebenen Erklärung, die 48 Unionsabgeordnete unterzeichnet haben und die dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt.
Darin sprechen sie sich für eine humanitäre Hilfe vor Ort aus. "Außerdem sollte eine europäische Aufnahme von Kindern und Jugendlichen aus den überfüllten griechischen Flüchtlingslagern, gegebenenfalls mit einer 'Koalition der Willigen', von EU-Mitgliedstaaten, zur Entlastung Griechenlands ermöglicht werden", heißt es darin weiter.
Dass sie dennoch gegen den Antrag der Grünen im Parlament gestimmt haben, begründen die Abgeordneten in der Erklärung unter anderem mit der Ablehnung eines nationalen Alleingangs. Die Grünen hatten in ihrem Antrag unter anderem gefordert, 5.000 besonders schutzbedürftige Menschen, darunter unbegleitete Minderjährige, aus den griechischen Lagern nach Deutschland zu holen. Der Antrag wurde mit 495 Gegenstimmen abgelehnt. 117 Abgeordnete stimmten dafür. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte wiederholt betont, dass es eine Aufnahme aus Griechenland nur im Rahmen einer europäischen Initiative geben werde.
Initiiert wurde die Erklärung vom Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesbildungsministerium, Thomas Rachel (CDU). Die Abgeordneten hätten aus christlichen Motiven ein humanitäres Signal senden wollen, erklärte Rachel, der auch dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) angehört. Unterzeichner sind unter anderem Kulturstaatsministerin Monika Grütters, Volker Kauder, Hermann Gröhe, Peter Tauber und die Rechtspolitikerin Elisabeth Winkelmeyer-Becker (alle CDU).
Seehofer: Stabilität an griechisch-türkischer Grenze geht vor
Brüssel (epd). In Europa wird um den Umgang mit den Migranten und Flüchtlingen in Griechenland und der Türkei gerungen. Während es bei einem Sondertreffen der EU-Innenministerrat am Mittwoch in Brüssel viel Zuspruch für die griechische Abschottungspolitik gab, wurden zugleich Rufe nach der Umverteilung schutzbedürftiger Kinder und Jugendlicher aus griechischen Lagern lauter. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) will zunächst Ordnung schaffen und dann Menschlichkeit üben.
Mit Blick auf die Lage an der griechisch-türkischen Grenze sagte Seehofer vor dem Treffen, man solle sich auf eine Stabilisierung konzentrieren. Wenn das gelungen sei, solle man "zeitnah" die Umverteilung minderjähriger Flüchtlinge aus Griechenland in andere EU-Ländern angehen. Wichtig dafür sei "eine europäische Lösung", auch wenn nicht alle EU-Staaten mitmachen müssten.
Das Vorgehen Griechenlands an der Grenze billigte Seehofer. Das Land erledige die Aufgabe des Schutzes der Außengrenzen "aus meiner Sicht sehr gut". Auf die Frage nach einer Aussetzung des Asylrechts in Griechenland für einen Monat erklärte der Minister, dies sei "auch in Ordnung - bei der besonderen Situation". Zustimmung äußerte auch der österreichische Innenminister Karl Nehammer.
Verschiedene Experten erklärten hingegen, dass Griechenland EU- und Völkerrecht verletze. Der Jura-Professor Jürgen Bast von der Universität Gießen sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd): "Ein Asylverfahren an der Grenze gänzlich auszuschließen, ist offensichtlich europarechtswidrig."
Die Türkei hatte am Samstag ihre Grenzen zur EU geöffnet. Laut griechischen Behörden wurden daraufhin tausende Flüchtlinge am Grenzübertritt gehindert.
Die Lage an der Grenze ist verknüpft mit den überfüllten Flüchtlingslagern in Griechenland selbst, insbesondere auf den Inseln. Griechenland will nicht noch mehr Menschen aufnehmen. Zugleich ist klar, dass es vor allem Kindern in den Lagern schlechtgeht.
Vor diesem Hintergrund verlangte der luxemburgische Migrationsminister Jean Asselborn ein schnelles Handeln. Wenn jedes Land pro halbe Million Einwohner zehn unbegleitete Minderjährige aus diesem "Loch" herausholen würde, würde dies viel Leid lösen, sagte er mit Blick auf das Lager Moria auf Lesbos. Luxemburg wolle dies tun.
Unicef für Aufnahme von Kindern aus griechischen Flüchtlingslagern
Köln (epd). Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, Unicef, begrüßt politische Signale, Kinder aus griechischen Flüchtlingslagern möglicherweise nach Deutschland zu holen. Unicef Deutschland verwies am Mittwoch in Köln auf Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), der eine grundsätzliche Offenheit signalisiert hatte, Kinder und Jugendliche aus Griechenland aufzunehmen und sich mit anderen bereitwilligen EU-Ländern abzustimmen. Das Kinderhilfswerk betrachte mit großer Sorge die menschenunwürdige Situation in vielen Flüchtlingslagern in Griechenland, in denen vor allem Kinder großen Gefahren ausgesetzt sind, hieß es. Die Situation auf den Inseln habe sich in den vergangenen Tagen nochmals deutlich zugespitzt.
Die Aufnahme geflüchteter und migrierter Minderjähriger in Deutschland und anderen europäischen Ländern müsse nach einem geordneten Verfahren in Abstimmung mit den griechischen Behörden ablaufen, betonte Unicef Deutschland. Die Hilfsorganisation stehe bereit, dabei zu beraten und zu unterstützen. Derzeit leben den Angaben nach insgesamt mehr als 5.300 unbegleitete Kinder und Jugendliche in Griechenland, davon über 1.500 auf den griechischen Inseln. Die unhaltbaren Zustände in den Flüchtlingslagern, insbesondere auf Lesbos, hätten für viele Mädchen und Jungen langanhaltende und schwerwiegende Folgen, hieß es. Angesichts der Situation an der türkisch-griechischen Grenze hatte Unicef bereits am Dienstag den Schutz von Kindern auf der Flucht angemahnt. Von den 13.000 an der Grenze versammelten Menschen seien schätzungsweise 40 Prozent Familien mit Kindern, erklärte die Regionaldirektorin für Europa und Zentralasien, Afshan Khan. Am Samstag hatte die Türkei ihre Grenzen zur EU geöffnet. Laut den griechischen Behörden wurden Tausende Flüchtlinge am Grenzübertritt gehindert.
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