27.05.2020
Ramelow sieht jeden Einzelnen in der Pflicht | Zunächst keine Lockerungen des Corona-Regimes in Thüringen | Weitere Lockerungen in Sachsen-Anhalt beschlossen

Erfurt (epd). Thüringen setzt auch weiter auf grundlegende Corona-Regeln wie den Mindestabstand von 1,50 Metern im öffentlichen Raum oder das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes in Bussen und Bahnen.

Dennoch müssten jetzt die Grundlagen dafür gelegt werden, um bei anhaltender Pandemie vom Krisenmodus auf den Regelbetrieb umschalten zu können, sagte Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) am Dienstag nach einer mit Spannung erwarteten Kabinettssitzung in Erfurt. Nur so ließen sich etwa die Schulen nach den Sommerferien wieder für alle Klassen öffnen, nannte er ein Beispiel.

Ramelow bezeichnete die vor zwölf Wochen verhängten Einschränkungen als vollen Erfolg. Damals seien von den Experten allein in Thüringen bis zu 60.000 Schwersterkrankte prognostiziert worden. Dank des entschiedenen Vorgehens des Staates und der Einsicht der übergroßen Mehrheit der Bürger habe sich dieses Schreckensszenario abwenden lassen, sagte der Linken-Politiker. "Wir wollten - mit Blick auf die Ereignisse in Wuhan oder der Lombardei - Zeit kaufen", fügte er hinzu. Dies sei gelungen.

Inzwischen habe sich das Infektionsgeschehen deutlich beruhigt. In neun der 23 Thüringer Landkreise und kreisfreien Städte habe es mehr als sieben Tage lang keine Neuinfektionen mehr gegeben, verwies Ramelow auf die aktuelle Lage.

Der Zahl von 239 am Dienstag als infiziert registrierten Thüringern stehe die von 2,16 Millionen Einwohnern des Bundeslandes gegenüber. Es falle immer schwerer, angesichts dieser Verhältnisse die tiefen Eingriffe in die verfassungsmäßige Rechte der Bürger und der Unternehmen, mit denen die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie nun einmal einhergingen, begründen zu können, sagte der Ministerpräsident.

Man müsse daher von allgemeinen und in landesweit geltenden Verordnungen formulierten Verboten wegkommen. An ihre Stelle sollen nach Überzeugung Ramelows konkrete Hygienekonzepte für die verschiedenen Einrichtungen und Branchen treten. Damit steige auch die Eigenverantwortung, sagte der Ministerpräsident. Wie mit dem Aids auslösenden HI-Virus müsse es die Gesellschaft und jeder Einzelne lernen, mit dem Corona-Virus umzugehen. Auch wenn er persönlich auf die schnelle Entwicklung eines Impfstoffes hoffe, könne man nicht bis zu seiner tatsächlichen Verfügbarkeit oder der eines wirksamen Medikaments einfach nur so weiter machen.

Ramelow informierte zudem über die Einsetzung eines Wissenschaftlichen Rates zur Unterstützung der Landesregierung. Das Gremium sei neben Hygienikern und Medizinern auch mit Verfassungsrechtlern besetzt, um die ganze Bandbreite der mit der Corona-Pandemie zu beantwortenden Fragen abdecken zu können. Mit möglichen konkreten Lockerungen des Corona-Regimes wolle sich das Kabinett in der kommenden Woche beschäftigen.

Die Debatte der vergangenen Tage habe auch zu Irritationen innerhalb der Landesregierung geführt, räumte der Linke ein. Allerdings sei er auch missinterpretiert worden. Er habe nie gesagt, dass das Corona-Virus an Gefährlichkeit verloren habe, versicherte er. Es bleibe weiter zunächst nur ein mechanisches Vorgehen sowie die konsequente Nachverfolgung aller Krankheitsfälle und ihrer Entstehungsgeschichte, damit das Virus wirksam in Schach gehalten werden könne.

Weitere Lockerungen in Sachsen-Anhalt beschlossen | Ampelsystem und mehr Tests sollen Corona-Lage im Land anzeigen

Magdeburg (epd). Sachsen-Anhalts Landesregierung hat weitere Lockerungen der Corona-Beschränkungen beschlossen. Von Donnerstag an dürften sich statt bisher fünf nun bis zu zehn Personen im privaten Umfeld treffen, wie Sozialministerin Petra Grimm-Benne (SPD) am Dienstag in Magdeburg mitteilte. Darüber hinaus seien Treffen von zwei Hausständen und nahen Verwandten und deren Partnern erlaubt.

Private Feiern wie Hochzeiten, Trauerfälle, Geburtstage, Einschulungen oder Jugendweihen sind ab Donnerstag mit bis zu 20 Teilnehmern wieder möglich. Fachkundig organisierte Zusammenkünfte wie Meetings, Seminare, Mitgliederversammlungen, Veranstaltungen von Vereinen und Parteien sowie kirchliche und standesamtliche Trauungen und Beisetzungen können mit bis zu 100 Teilnehmern, ab 1. Juli mit bis zu 250 Teilnehmern stattfinden.

Bildungs-, Kultur-, Sport- und Freizeiteinrichtungen können wieder öffnen und Touristen wieder nach Sachsen-Anhalt kommen. Das Besuchsverbot für Krankenhäuser wird aufgehoben, Tageskliniken der psychiatrischen und geriatrischen Fachgebiete können wieder öffnen. Weiter geschlossen bleiben Clubs und Diskotheken. Messen, Ausstellungen und Volksfeste können weiter nicht stattfinden. Großveranstaltungen mit mehr als 1.000 Personen bleiben bis Ende August untersagt.

Die sechste Corona-Eindämmungsverordnung gilt zunächst bis einschließlich 1. Juli. In Sachsen-Anhalt gibt es bislang 1.699 Infektionsfälle. Am Dienstag sind keine neuen Fälle hinzugekommen. Nach Schätzungen sind bisher 1.582 Menschen wieder genesen. 55 Todesfälle im Zusammenhang mit einer Corona-Infektion wurden registriert.

Mit einer erweiterten Teststrategie will sich das Land zudem gegen eine mögliche zweite Infektionswelle wappnen. Es wurden Schwellenwerte definiert, ab denen Eindämmungsmaßnahmen greifen. Ein Ampelsystem soll zur Orientierung dienen. Es soll die Anzahl der Personen, die von einem Covid-19-Fall angesteckt werden, die Anzahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in den vergangenen sieben Tagen und die Auslastung der Intensivbetten in Sachsen-Anhalt mit Covid-19-Fällen anzeigen.

Liegt die Erkrankungsrate in einem Landkreis oder in einer kreisfreien Stadt innerhalb von sieben Tagen höher als fünf Fälle je 100.000 Einwohner wird das Landesamt für Verbraucherschutz und das Gesundheitsamt eingeschaltet. Spätestens ab einer sogenannten Sieben-Tages-Inzidenz von zehn Fällen je 100.000 Einwohner, werden Eindämmungsmaßnahmen abgestimmt und eingeleitet. Grimm-Benne empfiehlt allen, die an Symptomen wie Fieber, Husten, Schnupfen, an Halsschmerzen oder Geschmackverlust leiden, sich testen zu lassen. Regelmäßig sollen zudem Tests in Pflege- und Behinderteneinrichtungen vorgenommen werden.

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