19.05.2021
Salzborn: "Unfassbare antisemitische Radikalisierung" in Deutschland

Frankfurt a.M. (epd). Die antisemitischen Proteste und Ausschreitungen in Deutschland lösen weiter Besorgnis und Entsetzen aus.

Der Antisemitismusbeauftragter der Stadt Berlin, Samuel Salzborn, sagte am Montagabend in den ARD-„Tagesthemen“, gerade finde eine „unfassbare antisemitische Radikalisierung statt“. Es sei ein „ganz aggressives antisemitisches Klima in der Bundesrepublik“ zu erleben. Auch Städtetagspräsident Burkhard Jung verurteilte die jüngsten Vorfälle scharf. Die Integrationsstaatssekretärin im Bundeskanzleramt, Annette Widmann-Mauz (CDU), kündigte an, die Bundesregierung wolle muslimischem Antisemitismus stärker entgegentreten.

Am vergangenen Wochenende war es bei Pro-Palästina-Demonstrationen unter anderem in Berlin, Frankfurt, Freiburg, Mannheim und Stuttgart teilweise zu Ausschreitungen und offenem Judenhass gekommen. Antisemitische Parolen lösten Entsetzen aus.

Salzborn sagte zu einer Veröffentlichung des Zentralrats der Juden in Deutschland von antisemitischen Beschimpfungen, das sei „ein Aufschrei des Zentralrates, endlich hinzusehen und nicht mehr wegzuschauen“. Antisemiten seien beim Namen genannt worden, um klar zu machen, dass diese sich nicht verstecken könnten. Man habe zwar stets auch einen Antisemitismus in der Mitte und bei den Linken erlebt, aber „das Gewaltpotential, das liegt ganz besonders im rechtsextremen und muslimischen Milieu“.

Die Bundesrepublik verstehe sich als wehrhafte Demokratie, sagte Salzborn. Das solle ernstgenommen werden mit allen Möglichkeiten des Strafrechtes. Zu lange hätten die Behörden gemeint, Antisemitismus sei nur eine Meinung, aber es sei „ein Weltbild, das unmittelbar mit Gewalt verknüpft ist“, sagte er.

Städtetagspräsident Jung sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Dienstag): „Angriffe auf Jüdinnen und Juden, auf Synagogen oder antisemitische Parolen bei Demonstrationen sind ein Angriff auf unsere offene Gesellschaft.“ Kritik an der Politik Israels bleibe in Deutschland selbstverständlich erlaubt. Doch Hass und Antisemitismus seien dabei absolut inakzeptabel, betonte der Leipziger Oberbürgermeister.

Widmann-Mauz sagte der „Stuttgarter Zeitung“ und den „Stuttgarter Nachrichten“ (Dienstag), in Schulen und Integrationskursen solle über Antisemitismus nicht nur im Kontext der Schoah, sondern auch mit Blick auf aktuelle geopolitische Konflikte im Nahen Osten gesprochen werden. „Darüber hinaus brauchen wir auch im laufenden Bundesprogramm 'Demokratie leben!' einen Schwerpunkt auf der Bekämpfung von Antisemitismus in muslimischen Communities“, erklärte sie.

Innenminister droht Antisemiten mit aller Härte des Gesetzes

Erfurt (epd). Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) will gegen antisemitische Straftäter mit aller Härte vorgehen. Das betreffe auch Hetze und Gewaltaufrufe im Internet, sagte er am Dienstag in Erfurt. Vor dem Hintergrund des neu aufgeflammten Nahost-Konfliktes war es in Deutschland zuletzt wieder zu offenen antisemitischen Bekundungen gekommen.

Leider bleibe auch Thüringen davon nicht verschont, sagte Maier. Der bisher schwerwiegendste Vorfall hat sich nach seinen Angaben in Nordhausen ereignet, wo Unbekannte in der vorigen Woche mit einem brennenden Wurfgeschoss versuchten, eine am Rathaus aufgezogene Fahne Israel zu entzünden. Dabei sei ein möglicher Brand des ganzen Gebäudes billigend in Kauf genommen worden. Gegenüber solchen Taten gebe es „null Toleranz“, versicherte der Minister. Sollte es sich bei den Straftätern um Ausländer handeln, schließe das in letzter Konsequenz auch deren Abschiebung ein.

Laut Landesamt für Verfassungsschutz sind Antisemiten im gesamten extremistischen Spektrum zu finden. Mit weitem Abstand lägen indes Rechtsextremisten vorn, sagte Präsident Stephan Kramer. Hier komme es zum Zusammenschluss von Neuer Rechter über das „Reichsbürger-“ und Querdenker-Milieu bis hin zur AfD. Auch für Islamisten sei Antisemitismus ein zentraler Kern des Selbstverständnisses, so der frühere Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland.

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