10.11.2023
Thüringen erinnert an Novemberpogrome

Erfurt (epd). Die Jüdische Landesgemeinde Thüringen hat zum 85. Jahrestag der Novemberpogrome in der NS-Zeit vor einem Wiedererstarken des Antisemitismus in Deutschland gewarnt.

Der Vorsitzende Reinhard Schramm sprach bei der zentralen Gedenkfeier Thüringens am Donnerstag in Erfurt von „traurigen Zeiten auch für die Juden in Deutschland“. Anstatt dass Juden stolz sein könnten auf die Leistungen in Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft in ihrer deutschen Heimat, hörten sie auf Schulhöfen immer noch das Wort „Jude“ als Schimpfwort.

Schramm forderte eine schnelle Bestrafung von Straftaten, die gegen das Judentum gerichtet seien. Ohne diese Konsequenz gebe es keine Sicherheit für jüdisches Leben in Deutschland.

Mit Blick auf den Krieg in Nahost mahnte er eine stärkere internationale Solidarität mit Israel an. Israel könne und dürfe den Krieg nicht ohne eine Entmachtung der Terrororganisation Hamas im Gaza beenden. Hierfür brauche es ein internationales Vorgehen.

Für die Thüringer Landesregierung erinnerte Staatskanzleiminister Benjamin-Immanuel Hoff (Linke) an das Recht Israels zur Selbstverteidigung. Schon während des Holocaust sei es in mehr als 100 jüdischen Ghettos zu Aufständen gegen die nationalsozialistischen Unterdrücker gekommen. Doch noch immer seien die Namen der NS-Täterinnen und Täter präsenter als jene der jüdischen Helden. Hoff appellierte daran, die Opfer der Schoah nie wieder als Lämmer zu betrachten, die sich widerstandslos zur Schlachtbank haben führen lassen.

Thüringens Landtagspräsidentin Birgit Pommer (Linke) nannte die Verbrechen der Pogromnacht vor 85 Jahren den Beginn des Zivilisationsbruchs, der zur Ermordung von mehr als sechs Millionen Jüdinnen und Juden geführt habe. Antisemitismus habe in Thüringen keinen Platz. Es liege in der Verantwortung der Gesellschaft, jüdisches Leben zu schützen. Dazu sei Deutschland aufgrund seiner Geschichte in besonderem Maße verpflichtet. Auch der Landesbischof der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, Friedrich Kramer, warnte vor einer Relativierung der antisemitischen Verbrechen von damals wie heute.

Auch der Vorsitzende der schiitischen Gemeinde Thüringens, Pirusan Maboob, zeigte sich solidarisch: Als iranischstämmiger Muslim sehe er sich in besonderer Verantwortung, der jüdischen Gemeinde beizustehen, sagte Maboob. Im Namen der Schiiten Thüringens anerkenne er das Existenzrecht Israels und verurteile den unmenschlichen Terror der Hamas. Die Geiseln des barbarischen Terroranschlags vom 7. Oktober müssten sofort freigelassen werden. Die Gedenkfeier endete mit einer Schweigeminute für die unschuldigen Opfer des israelisch-palästinensischen Konflikts auf allen Seiten.

Während der Pogromnacht zum 10. November 1938 wurde auch in Erfurt die Große Synagoge von den Nationalsozialisten zerstört. Allein in Erfurt wurden etwa 200 jüdische Männer in das Konzentrationslager Buchenwald verschleppt.

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