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11.03.2022
Begegnung

»Erzähl mir nichts von heißen Phasen kalter Kriege«, lacht Uli. Ihm sind sie gerade sehr präsent: die Jahre, als Tausende Waffen und Soldaten hier aufeinander gerichtet waren.

»Dass man damals wirklich einem russischen Soldaten begegnet wäre, das kam allerdings nie vor«, erinnert Uli die Zeit vor der Wende. Und das liegt weniger an der ungeliebten russischen Sprache. Die Abschottung war vielmehr Programm. Denn wo Menschen einander begegnen, hat’s die Ideologie schwer und das fürchten Ideologen sehr.

Uli begegnete dennoch russischen Soldaten. Im Schlachthof. Als Student verdiente er gutes Geld dabei, Schweinehälften für den Transport nach Osten zu verladen. Sowjet-Soldaten sollten überwachen, dass das mit rechten Dingen zugehe. Überwacht wurden aber weder Uli noch die Schweinehälften, sondern die Soldaten. Von einem Offizier, so streng, dass er seinen Trupp mittags die Wurststückchen aus ihrem Eintopf sammeln ließ.

»Die armen Kerle!«, dachte nicht nur Uli, sondern auch die stämmige Werksköchin. Sie pfiff den Offizier zusammen, in breitestem Hall’sch, entriss ihm den Teller mit den rausgefischten Würstchen und gab’s den Soldaten. Und die wussten nicht, vor wem sie sich mehr fürchten sollten: vor dem Offizier oder der von heiligstem Zorn und werktätiger Nächstenliebe entfachten Köchin.

An jenem Tag wurde der Kalte Krieg zu einer Viertelstunde heißen Eintopfs mit Fleischeinlage verdonnert.

Ihnen an diesem Tag den Blick fürs Gute, wünscht Conrad Krannich, Reformierte Gemeinde, Magdeburg


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