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03.12.2022
Ein freier Stuhl

Mein Vater war ein wunderbarer Erzähler. Er liebte Balladen, biblische Geschichten und Weihnachtslegenden aus aller Welt. Besonders in der Adventszeit wurde meine Sehnsucht nach Geschichten gestillt. Eine sehr eindrückliche Geschichte prägt bis heute die Art, wie ich Weihnachten feiern mag. Mein Vater erzählte von einem Dorf in Skandinavien, in der es am Weihnachtsfest üblich war, einen Stuhl am Esstisch freizuhalten. Sollte ein Mensch an der Tür klingeln, könnte er dann mit an den Tisch gebeten werden. Teller, Besteck und ein Kaffeebecher standen für ihn schon bereit. Meistens klingelte auch jemand. Dann gab es jede Menge Spaß, manchmal auch kleinen Ärger. Aber es war nie langweilig. Denn Gäste bringen Lebensgeschichten mit und oft auch Dankbarkeit. Weihnachten soll niemand einsam sein, war das Motto der Familien des Dorfes. Sie waren davon überzeugt, dass in den heiligen Nächten auch heute noch Engel unterwegs sind, die Segen zu denen tragen, die Herz und Haus für andere öffnen. Vielleicht klopfte ja auch Jesus selbst, versteckt in einem Fremden, an Haustüren an?

Uns mag das komisch vorkommen. Aber es müssen ja nicht Wildfremde sein, die wir einladen. Jemand aus dem Seniorenheim, einem Migrantenheim, eine ausländische Studentin, die nicht nach Hause fahren kann, einzuladen, wäre ein Anfang. In meiner Kindheitsfamilie und dann auch in meiner eigenen haben wir das oft praktiziert. Mit Gewinn. Einen gesegneten 2. Advent, Gabriele Herbst, Magdeburg.


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