18.10.2021
Ein jegliches hat seine Zeit
„Ein Jegliches hat seine Zeit. Bäume pflanzen und Bäume abhaun.“ Der Song der Puhdys geht mir durch den Kopf.
Denn wir müssen einen Kirschbaum fällen. Er war schon alt, als wir vor 25 Jahren hierherzogen. Die Kinder sind unter seinen Ästen aufgewachsen. Er ist riesig. Jedes Jahr hat er uns Freude gemacht. Im Frühjahr mit seinen unzähligen Blüten. Manchmal stand ich drunter, ließ mich von Blütenblättern beregnen.
Dann schenkte er Schatten für die Hängematte und die Sitzecke. Nichts kühlt so gut wie ein Blätterdach.
Wie oft habe ich mir im Sommer ein paar Hände voll Kirschen gepflückt?
Nur im Herbst, da war es nicht so die große Freude, denn er lieferte uns gewaltige Laubmengen. Und so zog ich Jahr um Jahr mit Laubrechen und Schubkarre los und schichtete den Kompost von einem Hügel zu einem Berg.
Aber immer öfter fielen Zweige und auch morsche Äste herab. Dann entdeckte ich in der untersten Astgabel ein tiefes Loch. Ein Fachmann kam und sah sich das an. Keine Chance. Die Kirsche ist alt und krank. Es genügt nicht, das Totholz zu entfernen. Ein Sturm könnte ihn plötzlich umlegen.
Jegliches hat seine Zeit. Nun wird er fallen, bald ist es soweit.
Er wird fehlen. Ich bin traurig. Und wieder klingt es mir im Ohr: „Bäume pflanzen und Bäume abhaun.“ Und obwohl das so auch in der Bibel steht, könnte ich diese Worte auch andersherum lesen: Alles hat seine Zeit. Bäume abhaun und Bäume pflanzen.
Ja, ich werde einen neuen Baum pflanzen, der Luft und Freude, Schatten und Kirschen schenkt.
Peter Herrfurth, Landesjugendpfarrer in Magdeburg