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28.07.2023
Eltern pflegen

In den Urlaub zu fahren, ist für sie immer mit viel Vorbereitung und Absprachen verbunden. Einer sollte bei Vater sein, entweder sie oder eines ihrer Geschwister. Vater benötigt Pflege; er verabschiedet sich langsam aus dem Leben. Es begann damit, dass sich sein Gedächtnis in ein Sieb verwandelte; mittlerweile wird auch die Körperkraft von Tag zu Tag weniger.  

Dass sich die Rollen im Laufe des Lebens umkehren, ist schwer zu ertragen. Freunde raten: Engagiert doch mal einen Pflegedienst. „Die haben gut reden“, seufzt sie. „Es ist doch mein Vater; der Mensch, zu dem ich mein ganzes Leben lang aufgeschaut habe.“  

Bei allem Nervenaufreibendem: Vaters Pflege hat auch etwas Schönes. Die Arbeit verbindet sie noch einmal neu mit ihren Geschwistern. Bei den letzten runden Geburtstagen waren sie schlimm aneinandergeraten. Es sind eben die Liebsten, die genau wissen, wo die wunden Punkte sind. Da hatten sie den Kontakt zueinander erst einmal ruhen lassen.  

Die Zeit heilt viele Wunden. Und die Pflegebedürftigkeit von Vater hat das ihre dazu beigetragen. Wenn sie sich die Klinke im Haus der Eltern die Hand geben, sitzen sie oft noch für ein Käffchen in der Küche. Erinnern sich an die gemeinsamen Jahre in diesem Haus. Spüren dabei ihre Verbindung, die eben auch nur Geschwister zueinander haben. 

„Darf man eigentlich erleichtert sein, wenn jemand stirbt?“, fragt sie eines Abends. Ihre Schwester sagt: „Menschen kommen, Menschen dürfen gehen. Und vorher sind wir für Vater da, so wie er damals für uns. Ich bin erleichtert, dass wir einander wiedergefunden haben, bevor es so weit ist.“

Conrad Krannich, Halle


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