16.05.2019
Gedenken
Ich möchte Ihnen erzählen von einem Samstagnachmittag, neulich in Seehausen. Da versammelten sich um die 30 Leute am Mahnmal für die Opfer des Faschismus. Eine Initiative von Bürgern aus Seehausen hatte zu einem Gedenken aufgerufen, anläßlich des 8. Mai, dem Tag der Befreiung. Einer der Anwesenden erinnerte daran, dass zwei Tage zuvor in ganz Israel mitten am Tag der Verkehr still stand. Ein ganzes Land unterbricht seine Hektik und hält für zwei Minuten inne. Um zu gedenken an die Toten.
Ich frage mich leise, warum unser Gedenken in Deutschland so klein ist. Warum steht nicht auch bei uns der Verkehr still? Warum heulen nicht alle Sirenen am 8. Mai? Wir haben doch auch allen Grund dazu. Oder ist es etwa Nichts, dass der Krieg beendet wurde? Sollten wir uns nicht an die unzähligen Opfer der Nazi-Diktatur in unserem Land erinnern?
»Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst, Gott?« Die Worte aus einem Psalm kommen mir in den Sinn. Gott gedenkt unser. Gott denkt an jeden einzelnen. Wendet sich ihm zu. An dieser Gewißheit versichert sich der Mensch seiner Würde.
Ich formuliere dieses Gebet für mich um: »Was ist der Mensch, wenn wir nicht gedenken?« »Was ist der Mensch, wenn wir vergessen das Leid und den Tod so vieler Unschuldiger?«
Wir stehen an diesem Mahnmal. Und blicken uns an. Von Angesicht zu Angesicht. Wir gedenken der Opfer. Für diesen Moment bekommen auch sie wieder ein Angesicht.
Pfarrer Christian Buro, aus Beuster.