05.09.2021
Gotteskrieger auf Crosstrainer
Gotteskrieger aufm Crosstrainer – was für ein Anblick. Seit Tagen gehen Bilder davon um die Welt, wie die Taliban sich im Fitnesskeller des verwaisten Präsidentenpalastes der afghanischen Hauptstadt umtuen. Schüchtern scheinen sie; ganz unsicher, wie man sich im Zentrum der Macht richtig bewegt. Sie nicht mit Panzerfaust und Patronengürtel zu sehen, sondern eingespannt in Schulterpresse und Laufband – das hat etwas Komisches.
Was mir lange nachging, waren ihre fröhlichen Gesichter dabei, aufgehellt von einem albernen Kinderlachen. Das Lachen verwandelte die finsteren Kämpfer-Minen in Gesichter.
Zum ersten Mal nahm ich mehr wahr als Bärte unter Turbanen. Ich sah junge Männer, vermutlich aufgewachsen auf den Bergen enttäuschter Hoffnungen. Groß gewordene Waisenkinder sah ich, übriggeblieben in den vielen Kriegen Afghanistans, kreuzgefährlich und zu aller Schandtat fähig. Und ich sah Menschen, badend in dem Moment argloser, alberner Kinderfreude.
Und weil ich das alles in ihren lachenden Gesichtern sah, hoffe ich so sehr, dass auch sie, die Taliban, Menschen sehen in denen, über die sie nun Macht haben. Und dass sie davon ablassen, Journalisten zu schlachten und Frauen zu quälen.
Im Antlitz des Feindes immer auch einen Menschen zu erkennen – das ist eine echte Herausforderung. Aber was ist die Alternative, wenn Friede werden soll auf Erden?
Fragt Conrad Krannich von der reformierten Gemeinde in Magdeburg
