23.09.2023
Gute Hirten
In diesem Sommer hat sich einer meiner Kindheitsträume erfüllt: ich war in Siebenbürgen und habe Tag und Nacht in einer Sennhütte mit den Hirten, Schafen und Hunden verbracht. Schon als Junge wollte ich gerne einmal in der Sennhütte übernachten – aber meine Mutter und mein Vater waren strikt dagegen. Also habe ich mit den Hirten lange gesprochen und verhandelt, bis sie schließlich zugestimmt haben. Und es hat sich vieles verändert in den vergangenen vierzig Jahren, aber einiges ist noch genauso wie früher. Die Schafe werden immer noch zweimal täglich gemolken: zum Sonnenaufgang und wenn sich nachmittags die Sonne sich neigt. Und heutzutage nicht mehr mit den Händen, sondern einer mobilen Melkanlage, weil die Jugendlichen und Männer heute lieber nach Deutschland zur Ernte fahren, als Hirten zu sein. Der Lohn in Deutschland wirkt wie ein Staubsauger in Rumänien. Aber eines ist gleichgeblieben: Es gibt Wölfe und – au weia: Bären. Die sonst scharfen Hütehunde haben Angst vor Bären und flüchten. Deshalb laufen die Hirten nach Eintritt der Dunkelheit bewusst mit den Hunden durch den Wald und umkreisen das Gelände, um mit lautem Lärm die Bären zu verscheuchen. Als sich eines nachts mehrere Bären der Sennhütte näherten, haben die Hunde zuerst jaulend das Weite gesucht, bis die Hirten die Führung übernahmen und gemeinsam mit den Hunden die Bären verjagt haben. Von Hirtenromantik keine Spur, sondern fast wie in der Bibel, die das über Gott sagt: die guten Hirten sorgen für ihre Schafe und riskieren dabei, selbst angegriffen und verletzt, ja getötet zu werden.
Johann Schneider evangelischer Regionalbischof aus Halle