17.07.2022
Hoffnung ist zur Hälfte Mut
Hoffnung ist zur Hälfte Mut. Mut brauchte ich neulich, Mut, weiterzugehen. Ich war im Harz und über den Brocken unterwegs. Nun, was soll ich sagen? Erschütternd! So weit das Auge reicht, graue Baumgerippe, die nicht mehr grünen wollen. Von weitem sehen sie aus wie hunderte Kreuze. Der Harz leidet, der Harz stirbt.
Der ursprüngliche Wald wurde einst gerodet, weil Holz für den Bergbau benötigt wurde. Später forstete man mit schnell wachsenden Fichten auf. Die sind erst ab 700 Höhenmetern heimisch. In den tieferen Lagen wachsen eigentlich Buchen. Aber nun besteht der Harz vor allem aus Fichten.
Orkan Friederike und mehrere trockene Frühlinge ebneten dann einem großen Fichtenfreund den Weg: dem Borkenkäfer. Er liebt die trockenen Fichten frisst sich fröhlich durch den Harz.
Es ist ein Jammer, denke ich mir und höre: „Der Wald ist nicht tot“, sage die Förster im Nationalpark Harz, und ich traue meinen Ohren kaum. Es sterben die alten Bäume. In den toten Fichtenstämmen leben Pilze und Insekten, Spechte und Luchse. Und auf den umgefallenen Stämmen wachsen junge Bäume. Der Borkenkäfer sorgt dafür, dass das Übermaß an Fichten verschwindet, das der Mensch hier künstlich installiert hat.
Es wird Zeit brauchen, aber der Harz wird sich erholen und zu neuem Leben erwachen. Ich sollte viel mehr mit Förstern sprechen und mit Menschen, die in kosmischen Zeiträumen denken, um zu begreifen: In dem, was mir als Ende und Abbruch vor Augen steht, bricht neues Leben an – eine neue Welt, eine andere Welt. Hoffnung ist zur Hälfte Mut. Der Mut, weiterzusehen, weiterzugehen. Und zu vertrauen, dass da noch etwas kommt.
Conrad Krannich, Reformierte Gemeinde, Magdeburg