29.12.2019
Irmela - die Sprayer-Oma
Ich denk ich guck nicht richtig! Was macht denn die alte Dame da in der Fußgängerunterführung? Die zieht eine Dose aus ihrem Stoffbeutel, schüttelt sie. Man hört das Klickern der Kugeln. Sie nimmt die Kappe ab und sprüht ein Herz an die Wand.
Das hat Irmela schon oft getan. Sehr oft. Tausende Male. Seit dreißig Jahren. Aber man ist ihr auf die Schliche gekommen. Irmela soll Strafe zahlen.
Sowas! In ihrem Alter! „Intensivtäterin sei sie“, sagt sie selber.
Ihre Herzen und Farbkringel an Wänden, Mauern, Bushaltestellen, Stromverteilern, usw. sind Sachbeschädigung!
Nun gut. Aber sie sprüht nie auf saubere Flächen. Irmela sprüht nur dort, wo schon was hingesprüht ist. Sie sprayt Herzen über Hakenkreuze, Blumen über SS-Runen. Sie hält es nicht aus, einfach stumm und tatenlos an dummen Sprüchen und rassistischen Symbolen vorbeizusehen und vorbeizugehen. Da holt sie lieber ihre Spraydose heraus.
Es ist wirklich kein billiges Hobby. Die Farbe kostet. Und außerdem erwischt man sie immer wieder - mal in Berlin, mal in Eisenach. 1.000 EUR Strafe soll sie zahlen. Aber wie beschädigt man etwas, was längst beschädigt ist? Ich weiß es nicht. Das weiß wahrscheinlich auch das Gericht nicht. Ein Richter wollte Irmela darum mit einer milden Verwarnung davonkommen lassen. Doch das Urteil wurde vom Staatsanwalt aufgehoben.
Ich wäre ja dafür, jedem eine Prämie zu zahlen für rote Herzen statt Hetze, für bunte Blumen statt Hässlichkeit, für frohe Botschaften statt dummer Sprüche.
Peter Herrfurth, Landesjugendpfarrer in Magdeburg