28.10.2022
Körperspender
Gruselig finden Sie das? Ich find's hoch interessant. Marlene studiert Medizin, mittlerweile im dritten Semester. Und Thomas, der ist tot, gestorben schon vor vier Jahren.
Noch vor seinem Tod hatte Thomas entschieden, seinen Körper der medizinischen Fakultät zu spenden, damit Medizinstudenten daran die menschliche Anatomie studieren können. Thomas’ Körper ist konserviert. Und an dem arbeiten sich die angehenden Ärztinnen mit Pinzette und Skalpell durch die Schichten menschlichen Gewebes hindurch bis zum Skelett. So lernen sie die Beschaffenheit von Muskeln, Blut- und Nervenbahnen kennen, um später die Lebenden zu heilen.
Eine intensive Zeit ist das. Manche steigen im sogenannten Präp-Kurs aus. Marlene aber wusste: »Hier bin ich richtig«. Mit jedem Schnitt staunte sie mehr über das Wunderwerk Mensch und den langen Weg zur Heilkunst.
Heute nehmen Marlene und ihre Kommilitonen Abschied von Thomas und den anderen Körperspendern. Sie waren schließlich nicht nur Biomasse; sie waren Menschen.
Die Fakultät hat eine Feier organisiert. Die Dekanin spricht zu den Angehörigen der Spender, ein Chor singt, eine Studentin musiziert. Und Marlene liest aus ihrem Lieblingspsalm, dem 139ten:
»Du hast mich im Leib meiner Mutter gebildet. Ich danke dir, Gott, und staune, dass ich so wunderbar geschaffen bin; wunderbar sind deine Werke.« (Psalm 139,14)
Zeit zum Staunen und allzeit gute Ärzte!
Conrad Krannich, evangelisch