29.08.2022
Kriegskrüppelfürsorge
„Kriegskrüppelfürsorge“ stand auf dem Buch. Ich hatte es in einer Kramecke der alten Orthopädiewerkstatt entdeckt - dort wo ich gelernt und gearbeitet habe, bevor ich später Pfarrer wurde.
Viele Soldaten hatten im 1. Weltkrieg Arme oder Beine verloren, sie brauchten Prothesen und andere Hilfsmittel. Durch die Versorgung der sogenannten „Kriegskrüppel“ hatte die Orthopädie einen erheblichen technischen Entwicklungsschub bekommen. Die Prothesen wurden immer besser. Ein Nebeneffekt des brutalen Irrsinns.
Als ich vor fast 40 Jahren in die Lehre ging, habe ich noch für Versehrte des 2. Weltkrieges Prothesen gebaut. Doch die Amputierten der beiden Weltkriege starben nach und nach aus – ebenso die Bezeichnung „Kriegskrüppel“.
Doch sie sind wieder da. Das Militärkrankenhaus in Charkiw hat jetzt die Verwundungen ukrainischer Soldaten ausgewertet. Die meisten von ihnen haben zerschossene Beine und Arme. Ärzte im Bundeswehrkrankenhaus Berlin richten die Knochen, entfernen Granatsplitter und Geschosse und bekämpfen die Infektionen. Für manches Bein und manchen Arm kommt die Hilfe zu spät. Dann ist die Säge im Einsatz. Prothesen werden den Versehrten später helfen – aber nichts heilen.
Dass es heute zigtausend Kriegsverletzte in Europa geben würde, hatte ich damals als Lehrling nicht für möglich gehalten.
Nein! Krieg ist durch Nichts zu rechtfertigen. Waffen bringen keinen Frieden. Sie nehmen Leben, Arme und Beine und zerstören die Seelen.
Gib Frieden, Gott, gib Frieden! Und den Menschen Verstand.
Peter Herrfurth, Landesjugendpfarrer in Magdeburg