14.08.2021
Leben teilen
Ich erinnere mich an Daniel. Anfang der 90er Jahre habe ich ihn konfirmiert. Er gehörte mit zu den Jugendlichen, mit denen wir uns danach noch oft im Röckener Pfarrhaus trafen. Wir saßen am alten Kachelofen im Amtszimmer, unter einer niedrigen Decke. Wir redeten, diskutierten. Über Gott und die Welt. Auch über die Balkankriege damals. Die Massaker und Vertreibungen. Die Flüchtlinge, die in dieser Zeit aus Jugoslawien zu uns kamen und hier Asyl suchten.
Daniel machte ein super Abitur. Er besaß aber auch das, was meine Mutter früher Herzensbildung nannte, ein feines Gespür für die anderen und eine hohe soziale Kompetenz.
Er hat dann Jura studiert, promovierte über das Asylrecht und ich dachte: Na da, unsere Diskussionen am Kachelofen wirken weiter.
Die anderen von damals sind Ärztin und Maschinenschlosser geworden, Behördenleiter und Kosmetikerin. Manche haben sich von der Kirche entfernt, andere sind noch immer aktiv, eine leitet ehrenamtlich eine Kirchengemeinde.
Fast vergessen hatte ich das alles, bis dieser Anruf kam: Daniel ist gestorben. Viel zu früh, mit 43 Jahren. An einer heimtückischen Krankheit. Nicht fassbar.
Heute Morgen denke ich zurück an Menschen, mit denen ich Lebenszeit geteilt habe. Daniel ist einer von ihnen gewesen. Unvergessen bei mir. Und in Gottes Gedanken für immer aufgehoben. Darauf vertraue ich.
Sagt Hans-Jürgen Kant, Superintendent in Halle.