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07.12.2021
Licht werden

„Mache dich auf und werde Licht.“

Meine Mutter nahm biblische Adventstexte wie diesen gern wörtlich. Irgendwem sollten wir es heller werden lassen im Advent. Uns Pfarrerskindern ging das oft auf den Geist. Doch häufiger lernten wir fürs Leben.

An zwei Adventssonntagen war bei uns „Licht werden“ angesagt. Sie verstand darunter: Singen bei alten oder einsamen Menschen – in deren Häusern. „Keine Lust“ galt nicht. Wie sollten die Leute sonst merken, dass Gottes Licht auch zu ihnen unterwegs war? Also: warm anziehen. Einen Tannenzweig schmücken mit einem gebastelten Stern. Keine Noten. Adventslieder konnten wir in und auswendig. Los ging‘s.

Auch immer zu einem alten Ehepaar, das von den Dorfleuten gemieden wurde. Ich ging dort selbst ungern hin. Bis heute erinnere ich mich an mein pochendes Herz. Der Mann hatte sich dem Suff ergeben und die Frau der Traurigkeit. Ich sehe beide in ihrem dunklen Zimmer noch vor mir, die alte Frau, die scheu in einem abgewetzten Sessel ruhte und den betrunkenen Mann, der uns anbrüllte: „Raus, haut ab mit Eurem frommen Getue!“

Meine Mutter war davon wenig beeindruckt. Sie stimmte ein Adventslied an. Und ich erin-nere mich an die Stille, die plötzlich eintrat. Eine warme Stille.

„Sie legen sich jetzt hin und schlafen ihren Rausch aus“, sagte meine Mutter zu dem Mann, bevor wir aufbrachen. „Und sie kommen bis morgen mit zu uns nach Hause“, sagte sie zur Frau. „Wir haben immer ein Bett frei“.

„Mache dich auf und werde Licht“

Einen Tag mit Licht wünscht Pfarrerin Gabriele Herbst aus Magdeburg


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