24.06.2019
Obdachlosenyoga
„Also ich kann das nicht.“ sagt sie kichernd zu ihrer Freundin und nickt mit dem Kopf kurz Richtung Kirche. „Soweit komme ich nicht mehr runter. Dafür bin ich einfach zu dick. Da hilft auch kein Yoga.“ Die beiden Damen lachen kurz auf. Ihr Ziel ist die Bäckerei. Die Erdbeerschnitten sind dort wirklich lecker. Ich folge ihren belustigten Blicken. Im Halbdunkel einer Seitentür der Kirche sehe ich zwei Menschen kauern, der eine hockt und beugt den Kopf tief auf den Boden. Ach, den meint sie.
Soweit wie er kommt sie nicht mehr runter.
Obdachlosenyoga. Soweit will keiner runterkommen. Die letzte Zuflucht ein paar Kirchenstufen. Statt eines Daches eine Nische in einem nicht benutzen Eingang. Die einzigen Habseligkeiten in zwei Plastiktüten verstaut.
Warum sie dort hausen, weiß ich nicht. Vielleicht wissen das die beiden Obdachlosen selbst nicht mehr.
Aber interessiert mich das überhaupt?
Oder denke ich nur: Gott sei Dank, dass ich so nicht leben muss! Ich habe meine Arbeit, meine Familie, mein Bett, mein Zuhause. Und wenn ich will, kann ich einfach zum Bäcker gehen.
Langsam gehe ich vorbei an der Nische mit den gebeugten Gestalten. Ich weiß nichts von ihnen. Aber ich frage auch nicht nach: Hey, warum hocken Sie so unbequem da?
Lieber beruhige ich mein Gewissen: Notfalls kommt ein Krankenwagen, oder jemand von der Stadtmission. Die beugen sich dann soweit runter. Ist doch deren Job.
Bin ich wirklich besser als die beiden Damen, die sich längst bei Cafe au lait ihren Kuchen schmecken lassen? Nur weil ich keine Witzchen mache?
Warum gehe ich nicht zum Bäcker und hole was für die beiden? Vielleicht zwei Erdbeerschnitten...
Peter Herrfurth, Landesjugendpfarrer in Magdeburg