03.09.2022
Olympia
1972 - die Olympischen Spiele in München sind feierlich eröffnet, erste Medaillen errungen, neue Rekorde aufgestellt. In der Nacht überklettern acht bewaffnete Personen die Absperrungen zum olympischen Dorf. Wenig später stürmen sie die Zimmer der israelischen Olympiamannschaft. Zwei Sportler werden erschossen, neun andere als Geiseln genommen. Die Geiselnehmer fordern die Freilassung etlicher in Israel inhaftierter Palästinenser sowie die freie Ausreise deutscher RAF-Terroristen.
Von heiteren Sportspielen hatte man geträumt. Doch nun ist die Lage in München extrem ernst. Ein nervenzehrender Kampf gegen todesbereite Geiselnehmer und gegen die unablässig verrinnende Zeit.
Hans-Dietrich Genscher, ein ehemaliger Hallenser, ist damals vor fünfzig Jahren Innenminister der Bundesrepublik. Der Politiker bietet sich im Tausch gegen die Geiseln an. Diese Bereitschaft, sein Leben für andere zu riskieren, beeindruckt mich. Eine zutiefst christliche Haltung. Auch wenn sein Angebot ausgeschlagen wurde – in diesem Moment ist er für mich ein wahrer Diener seines Volkes.
Wenige Stunden nach der Geiselnahme scheitert der Befreiungsversuch dramatisch. Keine Geisel überlebt. Ihr Tod bleibt ein Leben lang Genschers persönliches Trauma.
Oft wirft man Politikern Eigeninteressen vor und redet von „denen da oben, die jeden Bezug zur Realität verloren haben.“ Hier war es anders.
Das Wohlergehen Anderer über das eigene zu stellen – das wünsche ich mir – nicht nur in der großen Politik – aber auch dort.
Peter Herrfurth, Landesjugendpfarrer in Magdeburg