24.05.2021
Pfingstmontag
Immer dienstags und donnerstags am Nachmittag sitzt sie in der Sakristei ihrer Kirche.
„Wo ich alles sagen kann.“ heißt das im Gemeindeboten.
Am Anfang kam niemand.
Dann stand die Frau vor der Tür, die sie in der vergangenen Woche schon gesehen hatte: im Auto auf dem Parkplatz an der Kirche.
„Letzte Woche wollte ich mal sehen, ob Sie wirklich hier sind“, sagte sie ein wenig beschämt,
„ich meine, als Pfarrerin haben Sie doch bestimmt mehr zu tun, oder?“
„Jetzt bin ich hier und habe Zeit für Sie“, sagte die Pfarrerin.
Dann fängt die Frau an zu erzählen:
ein Leben, ganz anders als sie es wollte; immer an der Grenze, Drogenerfahrung in der Jugend, zwei Kinder bei Pflegefamilien.
Sie weint.
„Ich bin schuld, ich allein bin schuld.“
Die Pfarrerin schiebt leise ein Päckchen Taschentücher über den Tisch.
„Aber damit muss ich leben; alles vergeigt. Ich weiß nicht weiter.“
Sie kann nicht weitersprechen, schluchzt.
„Glauben sie an Vergebung?“ fragt die Pfarrerin ganz leise.
„Nein- ja- nein“, die Frau ist verwirrt.
„Wer sollte mir das vergeben?“
„Gott“, sagt die Pfarrerin und zeigt auf das Kreuz an der Wand.
Stille
„Ich weiß nicht…“, etwas ruhiger.
„Glauben Sie mir?“ fragt die Pfarrerin.
Beide sehen sich sehr lange an.
„Ja.“ „Gott vergibt Ihnen!“
Stille
„Danke“ Sie geht „Ich komme nächste Woche wieder“ Pfingsten 2021
Aus Dessau
grüßt
Joachim Liebig
