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08.02.2023
Schimpfen

Jeder Fluch ein Pfeil. Pfeil, der fliegt. Pfeil, der trifft.

»Mach dich vom Acker, du Aasd«, nölt sie mir hinterher, als ich mein Rad abschließe und davon sause. Was ich falsch gemacht habe? Keine Ahnung! Vielleicht falsch geparkt oder so.

»Du Aasd« – schon ziemlich derb. Es ist Hall‘sch für eine hinterlistige Person. Ich lerne das in einer kleinen Ausstellung, in der Studierende in Halle gerade ihre Forschungsergebnisse zum Schimpfen und Schimpfkulturen präsentieren.

Aasd komme von Aas – klar. Wo die Hallenser das »d« in Aasd dann noch hernehmen, wissen auch die Studierenden nicht. Aber dass das Schimpfen auch positive Seiten hat, das wissen sie. Schimpfen wirke emotional befreiend und entlastend – das leuchtet ein. Es heißt es doch: »Der Mensch, der seinem Feind statt eines Pfeiles ein Schimpfwort entgegenschleuderte, hat die Zivilisation erfunden«.

Ein großer Schimpfer war übrigens Martin Luther, nach dem die hallesche Universität benannt ist. Luther wetterte zum Beispiel gegen den englischen König Heinrich VIII. wegen dessen vieler Ehen. So schrieb er einen Brief an »König Heinz, die gekrönte Sau zu England«. Puh. Emotional-entlastend war das sicherlich, aber sprachlich auch ziemlich gewalttätig. Am Ende kommt es dann doch auf die Balance an. Wie immer eben.

Mich tröstet, dass jeder Fluch auch ein echter Pfeil hätte sein können, der zum Glück nur als Wort abgeschossen wurde.

Ihnen ein gnädiges Ohr an diesem Tag.
Conrad Krannich, Halle


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