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15.08.2020
Straßennamen

In Deutschland gibt es über 450.000 Straßen. Immerhin 1.600 von ihnen sind nach Pfarrern benannt, nach mir leider noch keine. Aber Straßennamen sind ja nicht für die Ewigkeit.

Aus der Magdeburger Wilhelmstraße zu Kaiserzeiten wurde die Stalinallee, später dann auf den DDR-Staatspräsidenten Wilhelm Pieck umgetauft - und seit der Wende erinnert sie als Ernst-Reuter-Allee an den früheren Magdeburger Oberbürgermeister.

Straßennamen verraten oft etwas über die Machtverhältnisse - aber auch über unsere Sichtweisen.

Nur zwei der 450.000 Straßen tragen die Namen schwarzer Menschen deutscher Nationalität. Hilarius Gilges - der von den Nazis ermordet wurde und May Ayim - eine Dichterin, die 1996 starb.

In Lüchow hatte vor kurzem eine Gruppe heimlich in der Nacht eine Straße umbenannt. Die Hermann-Löns-Straße wurde überklebt mit Oury-Jalloh.

„Denn Hermann Löns war nicht nur Lyriker, er war auch Antisemit und Frauenhasser“ erklärten die nächtlichen Aktivisten. Und sie können es belegen: „Weiber sind keine Vollmenschen,“ schrieb Löns, „denn sie haben keine Seele, sondern nur einen Uterus.“

Erinnern wollten sie an Oury Jalloh, dessen gewaltsamer Tod vor 15 Jahren in einer Dessauer Einzelzelle bis heute nicht vollständig geklärt ist. Ein Straßenname als Mahnung, dass sich staatliche Gewalt niemals verselbständigen und auch nicht vertuscht werden darf.

Straßennamen sind eine gute Gelegenheit den Namensgebern auf der Spur zu bleiben. Was ist ihr Verdienst und was ist ihre Schuld? Was haben sie mit ihrem Leben gemacht, das Gott ihnen zur Verfügung gestellt hat?

Und ich? Was fange ich mit meiner Lebenszeit an?

Peter Herrfurth, Landesjugendpfarrer in Magdeburg


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