07.02.2024
Tränen-Smiley
Er postet jeden einzelnen Namen. Jeden einzelnen von hunderten von Namen. Keiner soll vergessen sein, keiner und keine von denen, die vor vier Monaten, am 7. Oktober von Terroristen abgeschlachtet worden sind. Es waren schon viele Posts; es werden noch sehr, sehr viele kommen.
Ich kommentiere jeden einzelnen Post mit einem Tränen-Smiley, seit vier Monaten. „Tränen-Smiley“ – wie sich das anhört – ein Tränen-Lächler. Im Tränen-Smiley steckt meine gefühlsmäßige Achterbahnfahrt, die ich seit Wochen hinlege, wenn ich auf die Welt schaue.
Ich könnte schreien. Im Alltag kann ich das alles gut verdrängen. Aber bevor der Tag erwacht und wenn er dann zur Ruhe kommt, da überkommt es mich manchmal.
Ist das ein Problem? Bin ich krank? Das frage ich mich in meiner Verzweiflung. "Quatsch”, sagt eine Freundin. “Du bist ein Mensch. Das macht uns doch zu Menschen: dass wir das Leid der anderen an uns heranlassen. Angst machen mir die, an denen alles abperlt wie an einer Teflon-Jacke.”
Die Welt dreht sich gerade sehr schnell und jeden Tag ist etwas anderes. Verzweifeln Sie nicht. Ich verzweifele auch nicht an meiner Verzweiflung. Die macht uns schließlich zu Menschen.
Menschlich ist es auch, darüber zu sprechen. Es gibt Menschen, die dafür da sind, auch in Ihrer Nähe.
Kraft und Trost für diesen Tag wünsche ich Ihnen, ein offenes Ohr und ein hörendes Herz.
Conrad Krannich, Seelsorger in Halle