16.09.2021
Versöhnungstag
Was ist das Beste nach einem Streit? Wenn man sich aus dem Wege geht oder nach der nächsten Gelegenheit sucht, um sich zu rächen? Nein – das Beste nach einem Streit ist die Versöhnung: Wenn ich auf den anderen zugehe und ihn um Verzeihung bitte. Dazu brauche ich Zeit und Mut und die Bereitschaft, dem andern wieder zuzuhören. Versöhnung zwischen zwei Menschen, die sich gestritten haben, fällt nicht vom Himmel. Versöhnung lernen wir: Das fängt schon in der Schule an mit der Ausbildung zu Streitschlichtern, denn manchmal braucht es einen Dritten, der zwischen den Streithähnen vermittelt.
Das ist bei uns die Aufgabe von unabhängigen Richterinnen und Richtern.
Seit gestern Abend feiern die jüdischen Gemeinden weltweit den Versöhnungstag; es ist der höchste Feiertag im Judentum, an dem 24 Stunden weder gegessen noch getrunken wird. Man sucht Mitmenschen auf, mit denen man sich im Lauf des vergangenen Jahres gestritten hat, und bittet sie um Verzeihung. Und manchmal werden auch kleine Versöhnungsgeschenke mitgebracht.
Mit großem Schmerz denke ich daran, dass vor zwei Jahren am Versöhnungstag die Synagoge in Halle von einem rechtsradikalen Fanatiker angegriffen wurde und er zwei Menschen blind ermordet hat. Der Täter ist verurteilt, aber viele Fragen unbeantwortet. Versöhnung ist ein sehr langer Weg. Von beiden Seiten. Aber sie ist möglich, weiß Johann Schneider, evangelischer Regionalbischof aus Halle