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13.10.2022
Vom Umgang mit der Zeit

Mein Enkelsohn Finnian war noch in der ersten Klasse.
Seine ganze Familie war bei uns zu Besuch.
Wir schauen Finnian zu.
Er macht die Dinge behutsam, schaut sich lange die Bilder im Buch an, isst langsam Löffel für Löffel.
Seine Mutter, meine liebe Tochter, die immer von der sehr fixen Sorte ist, war verzweifelt über die Langsamkeit ihres Sohnes.
Sie wollte nicht wütend werden, aber sagte in ihrer Ungeduld zu dem Erstklässler:
Für dich hat wohl Sten Nadolny das Buch „Von der Entdeckung der Langsamkeit“geschrieben.
„O“, fragte er, „gibt es darüber ein Buch“?
„Ja“ sagte sein Opa, „das habe ich oben im Arbeitszimmer“.
Nach dem Mittagessen war Finnian unauffindbar.
Auf die Idee im Arbeitszimmer nachzuschauen kamen wir erst viel später.
Da saß Finnian am Schreibtisch seines Opas und hatte unter den vielen Bücher im Regal das kleine Taschenbuch gefunden.
Schon das war eine satte Leistung für einen Erstklässler.
Er war bereits auf der zweiten Seite des Vorwortes und meinte lapidar:„Es wird ein bisschen dauern, bis ich fertig bin, alle Wörter verstehe ich auch nicht, aber es ist sehr interessant.
“Er hat es in der ersten Klasse nicht fertig gelesen.
Ist auch kein Kinderbuch. Längst ist er eine große Leseratte und hat mit seiner Schwester einen Podcast, in dem sie zusammen Bücher vorstellen.
Die zielstrebige Gelassenheit meines Enkelsohnes habe ich nicht vergessen.
Ich muss oft daran denken, wenn ich mich gehetzt fühle.

Dann kann ich beten: Gott, schenke mir Finnians Gelassenheit und etwas von seiner Langsamkeit.
Pfarrerin Renate Höppner aus Magdeburg


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