31.07.2021
Wahrheit und Sensation
Christiano Ronaldo ist stocksauer. Der Schiedsrichter hat das Tor nicht anerkannt! Eine glatte Fehlentscheidung bei einem Länderspiel in Serbien.
Vor Wut reißt Ronaldo seine Kapitänsbinde vom Arm und schleudert sie weg. Ein Ordner bückt sich danach.
Und von da an entsteht eine Legende:
Auf Facebook lese ich: Der Ordner habe sie für 75.000 Dollar versteigert. Krass. So viel Geld! Und dann spendete er auch noch diesen Wahnsinnserlös für ein sechs Monate altes Baby, damit es operiert werden kann.
Ich will mehr darüber wissen. Ich google „Ronaldo“ und „Armbinde“. Aber da klingt die Story etwas anders:
Der Ordner hat Ronaldos Armbinde einem Sportsender für eine Benefizaktion übergeben. 3.000 Euro hat die Versteigerung für die Operation des kranken Jungen schließlich erbracht. Eine schöne Summe für so ein bisschen Stoff. 3.000 EUR klingt auch viel realistischer als 75.000 Dollar, aber ist natürlich nicht so spektakulär.
Mache ich sowas eigentlich auch? Immer etwas dicker auftragen, wenn ich dabei gut aussehe? Die Wahrheit nachjustieren, damit ich was Tolles zu erzählen habe...?
Ich hoffe jedenfalls, dem Jungen konnte mit dem Erlös geholfen werden. Aber die Sensationsmacher sollten die Differenz zu ihrer Schwindelsumme in voller Höhe ausgleichen.
Weil wir vor Gott und unseren Mitmenschen verantwortlich sind für das, was wir tun - und das, was wir sagen. Und nicht nur dafür, dass Auflagen und Klickzahlen erhöht werden. Das wäre wirklich eine Sensation.
Peter Herrfurth, Landesjugendpfarrer in Magdeburg