06.10.2021
Feinde oder Gegner
Die deutsche Sprache fasziniert mich. Eine winzige Lücke, eine Leertaste zwischen zwei Wörtern und schon ist die Bedeutung ins Gegenteil verkehrt. Wir haben Parteien erlebt, die im Wahlkampf zusammen raufen und die sich jetzt zusammenraufen. Zusammengeschrieben ergibt das Wort die genau gegenteilige Bedeutung. Jetzt wird sondiert, wer mit wem regieren kann. Vom zusammen Raufen zum Zusammenraufen.
Schon in der Wahlnacht haben sie den Schalter umgelegt. Erst haben sie aufeinander eingeprügelt, dann Gruppen-Selfies verbreitet. Friede, Freude, fauler Zauber? War das vorher nur Schauspiel auf der politischen Bühne und nach der Vorstellung treffen sie sich in der Kantine? Aber vielleicht steckt dahinter auch etwas, das wir lernen können: den anderen nicht als Feind, sondern als Gegner zu betrachten.
Einen Feind muss ich aus dem Weg räumen, ihn bekämpfen und ich werde erst Ruhe geben, wenn er vernichtet ist. Ein Gegner kann mir genauso auf den Sack gehen. Aber es bleibt ein Respekt, vielleicht sogar nur ein Rest Respekt. Das ist dann keine Resterampe des menschlichen Scheiterns, sondern – christlich gesehen – die Möglichkeit, wieder anzudocken, es doch noch einmal miteinander zu versuchen. Auf diesen Rest Respekt hat Jesus bestanden, damit das Buch zwischen Menschen nie endgültig zuklappt, sondern immer wieder eine neue Seite aufgeschlagen werden kann. Jetzt also verhandeln hoffentlich nur Gegner, nicht Feinde. Auf das Beste für uns und für alle anderen auch,
hofft Ralf-Uwe Beck, evangelisch und aus Eisenach.