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23.10.2017
Zack und autsch

Es ist so ein widerspenstiges kleines Ding. Ich will doch nur einen harmlosen Herbstblumenstrauß pflücken. Diese Hagebutte leuchtet rot und lädt mich ein. Also gehe ich behutsam ans Werk, knicke einen Stachel nach dem anderen ab. Als ich den Zweig abreißen will, rutsch ich ab und – zack und autsch – stecken zwei Stacheln in meiner Hand.
Eigentlich ein wunderbarer Mechanismus: Alle Schönheit ist nur in respektvollem Abstand zu genießen. Sonst: zack und autsch.
Jede Biene hat ihn, diesen Stachel. So viele andere Pflanzen und Tiere.
Warum haben ihn viele Menschen nicht?
Ich wünschte ihn den Mädchen und jungen Frauen und jungen Männern, bevor sie missbraucht werden können. Stacheln ausfahren und – zack und autsch – keine Chance. Anfassen verboten.
Ich habe gerade von einer jungen Frau gehört, die von einem sogenannten Liebhaber zur Prostitution genötigt wurde, und die keine Stacheln zum Ausfahren hatte, als der Zuhälter sie vor anderen Männern anzischt: ‚Nun hab dich nicht so, zieh dich aus.’ Wie sie weinend alles über sich ergehen ließ und sich hinterher stundenlang duschte. Immer noch weinend.
Wie hilfreich wären Dornen gewesen.
Sie ist ins Milieu abgerutscht und hat Schweres erleiden müssen, bis sie endlich den Mut fand, sich Hilfe zu holen.
Es hat lange gedauert, bis sie lernen durfte, dass sie eine Würde hat. Nicht angefasst werden darf, wenn sie es nicht ausdrücklich will.
Würdig. Erhaben. Aufrecht. Schön. So sind wir von Gott erdacht. Und stachelig. Ja, stachelig muss sein.
Findet: Ulrike Greim. Weimar.


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