24.11.2021
Alles für die Liebe
Ich würde alles für die Liebe tun.
Leider kommt die Liebe hier nicht vorbei – auf dem flachen Land. Wo der Bus nur viermal am Tag hält. Hier, wo der letzte Kiosk vor Jahren zugemacht hat. Den Briefkasten hatten sie schon vorher abmontiert. An der Bushaltestelle steht gerade mal noch ein Getränkeautomat und einer für Zigaretten. Letzte Zeugen der Zivilisation.
Ich würde alles für die Liebe tun, sagt er, der junge Mann von zarten 14 Jahren, da hat er die Bierflasche in der Hand. Sie sitzen zu viert auf den alten Autoreifen. Aber er redet mehr so vor sich hin.
Von Mädchen mit Traummaßen und wie sie ihm zulächeln.
Was er mit ihnen machen würde – Wahnsinn!
Aber er sitzt bloß hier in seinem Dorf, da, wo man sich so trifft, wenn man keinen Bock mehr hat auf Ballerspiele.
Liebe – keine Ahnung, wie das geht.
Donnerstag kommt wieder ein bisschen Leben ins Dorf, da gehen sie wieder los – die Proben in der Kirche. Fürs Krippenspiel. Alle Jahre wieder. Und er ist dabei. Sie holen die Kostüme aus dem Schuppen, stauben die Flügel für die Engel ab und jemand verteilt den Text. Den müssen sie lernen.
„Auf dass die Liebe groß werde unter ihnen“. Was soll das heißen?
Aber gut – Maria beschützt ein Kind: Mutter-Liebe. Und Josef beschützt Mutter und Kind. Das ist viel wert. Und sie alle schauen in die Kerze.
Als er klein war hat er den Text mit der Kerze gesagt. Vom Licht der Welt, das scheint in die Finsternis. Das Licht ist die Liebe.
Damals hatte er gedacht, dass es jetzt anders wird. Heute ist es nur wie eine Sehnsucht. Dass es das geben kann: eine Liebe, die alles hell macht, hier bei ihm auf dem Dorf.
Also er wäre dabei.
Ulrike Greim, Weimar, Evangelische Kirche