04.09.2019
Briefe ohne Unterschrift

„Uns Jugendliche bewegt oft die Frage, ob wir auch einmal wie die westliche Jugend leben können und nicht wie es die Russen wollen. Man hindert uns am Hören der Sender, die die Wahrheit über die andere Welt hören. Aber wir suchen uns unseren Weg...“

So schreibt ein Jugendlicher aus der DDR kurz vor Weihnachten 1969 an die BBC. Es ist einer von Tausenden Briefen, die zwischen 1949 und 1974 verfasst wurden. Anonym. In der Sendung der BBC „Briefe ohne Unterschrift“ wurden sie einmal in der Woche verlesen.

Durch ein Buch von Susanne Schädlich bin ich auf dieses Kapitel der DDR-Geschichte aufmerksam geworden. Sie hat die vielen Briefe durch eine Recherche in London in einem Archiv wiedergefunden.

Tief berührende Briefe von Menschen aus der DDR aus allen Generationen. In ihnen konnten sie sich Luft machen über all das, was damals nicht laut gesagt werden durfte. Trotz der Anonymität ein großes Risiko für die Schreiberinnen und Schreiber. Denn die Staatssicherheit setzte alles daran, sie ausfindig zu machen. Bei einigen ist es ihr auch gelungen.

Nur ein aufwühlendes Kapitel der Geschichte? Für mich ist es mehr. Weil es mir vor Augen führt, welches Glück wir haben, in einer freien und offenen Gesellschaft leben und uns frei äußern zu können. Mit Namen und Hausnummer. Ohne Angst vor Repressalien.

Das soll so bleiben, damit nie wieder „Briefe ohne Unterschrift“ geschrieben werden müssen.

Das ersehnt in dieser Nacht Pfarrerin Dorothee Land, evangelisch und aus Erfurt.


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